Barbara Kingsolver: Demon Copperhead

Pulitzer Prize für Literatur 2023

Die US-amerikanische Schriftstellerin Barbara Kingsolver (Jahrgang 1955) hat Umweltwissenschaft und Biologie studiert. 2023 erhielt sie gemeinsam mit Hernan Diaz (für seinen Roman „Treue“) den Pulitzer Prize for Fiction für ihren Roman „Demon Copperhead“. Heute, am 15. Februar 2024, erscheint ihr Roman bei dtv als deutsche Erstausgabe in einer Übersetzung von Dirk van Gunsteren.

Barbara Kingsolver, David Copperfield und Appalachia

Mit „Demon Copperhead“ von Barbara Kingsolver fängt mein Literaturjahr 2024 gleich mit einem großen Knall an. Trotz seiner beinahe 900 Seiten liest sich das Buch mit Leichtigkeit und Vergnügen. Und dabei handelt es sich um die Geschichte eines Jungen, der wahrlich nicht mit den besten Lebens- und Glückschancen gesegnet ist. Inspiriert durch Charles Dickens’ „David Copperfield“ hat Barbara Kingsolver ihren appalachischen Roman geschrieben. Kingsolver stammt aus Appalachia, einer Region in den USA, die sich über mehrere Bundesstaaten (Georgia, Tennessee, North Carolina, Virginia, Kentucky, Pennsylvania) erstreckt.

„Ein Kind zu sein ist was Schreckliches“

Im Herzen von Lee County, Virginia, wird Damon Field geboren. Seine Mutter ist ein Junkie auf Entzug. Sein Vater, ein Melungeon (isolierte tri-ethnische Gruppe), ist tot. Damon hat hellgrüne Augen und rote Haare. Schon früh bekommt er seinen Spitznamen Demon Copperhead. Er wächst in einem Trailer auf, den seine Mom von der Familie Peggot gemietet hat. Der Nachbarsjunge Matt „Maggot“ Peggot ist Demons bester Freund. Mit ihm teilt er seine Leidenschaft für Superhelden. Demon zeichnet sich seinen Kummer und sein Leid von der Seele. Er sehnt sich nach dem Meer. Mrs und Mr Peggot kümmern sich als Großeltern um Maggot, aber auch um Demon und seine Mom. Bis Demons Mutter Murrell Stone, genannt Stoner, kennenlernt und heiratet. Damit beginnt für Demon die Leidenszeit. Nach dem Tod seiner Mom gerät er in die Mühlen des Jugendamtes und landet in verschiedenen Pflegestellen. Er lernt die beiden Pflegekinder Tommy und Fast Forward kennen. Eines Tages beschliesst er abzuhauen und nach seiner Großmutter zu suchen. Diese Großmutter heißt Betsy Woodall und ist eine große, alte Frau, die mit ihrem im Rollstuhl sitzenden Bruder, Mr Dick, zusammenlebt. Sie vermittelt Demon an den Coach der Lee High Generals, dem Football-Team von Jonesville, Lee County. Bei Coach Winfield und seiner Tochter Agnes („Angus“) scheint sich Demons Leben zum Guten zu wenden. Leider nur so lange bis Demon sich beim Football schwer verletzt. Die Medikamente (Opioide), die er wegen seiner Schmerzen nimmt, machen ihn abhängig. Dann verliebt er sich mit Haut und Haaren in die ebenfalls süchtige Dori. Sein Freund Tommy verschafft ihm einen Job bei der Zeitung. Er zeichnet wieder Comics. Doch die Beziehung zu Dori endet dramatisch. Demon muss seine ganze Willenskraft und Stärke aufbringen, um sein Glück hoffentlich noch zu finden.

„Demon Copperhead“ ist Literatur im besten Sinn

Barbara Kingsolvers „Demon Copperhead“ ist ein wunderbar warmherziges Buch mit einem „Superhelden“ der Extraklasse. Kingsolver lässt ihren Protagonisten erzählen, mit seinen Worten in seiner Sprache. Das gibt der Geschichte Kraft, Originalität, Witz:

„Was das »Damon« betrifft: War ja klar, dass Mom ein Name einfallen würde, der zu einem zuckerärschigen Boygroupsänger passt. Was hatte sie sich dabei eigentlich gedacht? Ich war nicht mal abgestillt, da hatten die Leute schon »Demon« daraus gemacht.“ (S. 27)

Die Figur Demon Copperhead trägt mit seiner Lebendigkeit und Frische den ganzen langen Roman. Als Lesende klebe ich an seinen Lippen, beweine seine Schicksalsschläge, balle die Fäuste bei jeder Ungerechtigkeit, die ihm widerfährt und klammere mich an jeden kleinen Hoffnungsschimmer in seiner Geschichte. Denn die Geschichte ist wirklich starker Toback. Barbara Kingsolver packt heiße Themen an: die Opioidepidemie in den ländlichen Regionen der USA, die katastrophalen Folgen für ganze Familien und Landstriche, die Fahrlässigkeit der Jugendfürsorge, die Gewalt gegen Kinder, die Armut und Stigmatisierung der Landbevölkerung. Sie beschreibt den Segen (jeder hilft jedem) und gleichzeitig den Fluch (jeder weiß alles über jeden) der Gemeinschaft in Appalachia. Ihren Protagonisten Demon läßt sie das alles hautnah erleben. Und mit ihm die Lesenden.

„Demon Copperhead“ von Barbara Kingsolver geht zu Herzen, reißt mit, wühlt auf. Und ist Literatur im besten Sinn. Wenn mich nicht alles täuscht, dann hat dieser „Demon Copperhead“ nicht nur das Zeug zum Pulitzer-Prize-Gewinner, sondern auch, wie sein Vorgänger „David Copperfield“ von Charles Dickens, zum modernen Klassiker. Bitte unbedingt lesen!

Barbara Kingsolver: Demon Copperhead.
Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren.
dtv Verlagsgesellschaft, 15. Februar 2024.
864 Seiten, Hardcover, 26,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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