Seit seiner Geburt ist der inzwischen 20-jährige Art ein Einzelgänger. Menschen, die ihm auf den Straßen von Paris begegnen, zucken, angesichts seiner etwas dunkleren Hautfarbe erst einmal kurz, aber merklich vor ihm zurück, an diese Kränkung hat und wird er sich nie gewöhnen.
Nur ein einziges Mal in seinem Leben hat ein Mensch ihn von Anfang an so genommen, wie er ist – Monsieur Rufus hat ihm vom Fleck weg eine Chance gegeben und ihn, den Studenten der Fotografie, als Helfer für seinen kleinen Laden, in dem er Fotografien verkauft, eingestellt.
Eines Tages hütet Art für seinen abwesenden Chef den Laden – als er glaubt, eine Stimme zu hören. Eine Stimme, die ihn ruft, die ihn dazu anhält, einen verborgenen Safe zu öffnen und die darin verwahrte Fotografie in die Hand zu nehmen. Wie er den Safe öffnete, weiß er nicht, ist aber auch nicht wichtig, denn das Bild zeigt etwas, das schlichtweg unmöglich ist. Die Aufnahme zeigt die Hinrichtung Louis XVI und wurde weit vor der Erfindung der Fotografie gemacht. Eine Fälschung, ganz eindeutig und klar, doch wieder hört Art Stimmen – Stimmen, die aus dem Foto zu kommen scheinen.
Sein Chef erwischt ihn mit dem Bild in der Hand und wirft ihn – nachvollziehbar bei diesem Vertrauensbruch – aus dem Laden. Im Internet stößt unser Studiosus auf Hinweise über derartige unmögliche Bilder, in denen die Anführer der Magierfamilien seit Jahrhunderten eingeschlossen sein sollen. Verrückt, oder?
Als Inquisitoren dann seinen Meister und ihn angreifen, flieht er mit dem Bild und wird von einem ägyptischen Magier in eine der Refugien gerettet. Es beginnt eine Zeit für Art, die ebenso dramatisch wie gefährlich zu werden verspricht. Ausgerechnet er, der unerwünschte Farbige ist der Einzige, der die in den Bildern gefangen gehaltenen Magier befreien kann – etwas, das sowohl die Inquisition als auch ein Verräter zu verhindern suchen – und dies mit allen Mitteln …
Akram El-Bahay hat uns tolle, weil eigenständige Fantasy-Romane kredenzt. Nachdem Bastei-Lübbe seine Jahrzehnte alte, phantastischen Buchreihen eigentlich eingestellt hat, war ich besorgt, von dem talentierten Verfasser im Erwachsenenbereich nichts mehr zu lesen – zum Glück erwies sich diese Befürchtung als haltlos.
In der allgemeinen Reihe erscheint nur ein Zweiteiler – wieder phantastisch, wieder packend und erneut auch ein wenig tiefgründig.
Zunächst übertreibt es El-Bahay fast ein wenig mit dem Woke-Sein; – der Farbige Art berichtet uns glaubhaft von den Ausgrenzungen und Kränkungen, denen er sich ausgesetzt sieht. Später dann kommen Ressentiments gegenüber anderen Rassen und ein Magier, dessen gleichgeschlechtliche Orientierung auch diesen Part abdeckt, hinzu.
Doch schnell merkte ich, dass der Autor über diese Ingredienzien wahrlich nicht vergessen hat, uns eine faszinierende Geschichte zu erzählen.
Dabei zieht er durch unterschiedliche Länder, lässt reale Geschehnisse ebenso auftauchen, wie seine eigenen Schöpfungen der übernatürlichen Art – die Darstellung einer doch recht resoluten Gorgoyle-Ärztin lässt uns zum Beispiel schmunzeln – und entführt uns in eine andere, geheime Welt. Schnell wird der Leserin respektive dem Leser deutlich, dass es einen Verräter unter den Anführern der Magier geben muss – zu viel wissen die Inquisitoren, zu schnell kommen sie dem neuen Magier mit seiner einzigartigen Gabe auf die Schliche.
Im Finale erreichen unsere Helden dann die Nachricht eines Mordes, eine Drohung und ein Grund dafür, im zweiten Teil, der im Frühjahr 2024 veröffentlicht wird, wieder alles zu geben – für Freiheit und Gleichheit, wie es schon die Französische Revolution propagierte.
Auf jeden Fall wartet eine tolle, spannende und mitreißende Geschichte, so man das Werk öffnet, auf uns. Man sollte Zeit einplanen – der Sog- und Suchtfaktor immer weiterzulesen, ist groß!
Akram El-Bahay: Magische Bilder 01: Die verschollenen Meister
Bastei-Lübbe, Oktober 2023
364 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.