Ava Reed: Nur ein Wort mit sieben Buchstaben

„Liebe kann furchtbar sein. Abhängigkeit grausam. Aber beides zusammen? Zusammen ist es die Hölle.“ (S. 92)

Es gibt Themen, für die man viel Mut braucht. Sie verlangen jedem etwas ab. Ava Reed hatte den Mut, als sie ihren Jugendroman über häusliche Gewalt geschrieben hat. Hierbei geht es um viel mehr als die Beschreibung, wie Angst, Gewalt, Schmerz und das Ausgeliefertsein in einer Familie ins Tagesgeschehen eindringen. In Mikas Leben fängt die Gewalt mit bestimmten Ereignissen an und hört auf, wenn neue Ereignisse ein Ende erzwingen. So ähnlich ergeht es nicht nur dem siebzehnjährigen Mika, der schlimme Misshandlungen und noch viel mehr erdulden muss, bis etwas passiert.

Um zu begreifen, wie an Seele und Körper verletzte junge Menschen leiden, sind die Beschreibung dieser Umstände nötig. Dies hat die Autorin mit viel Feingefühl und entsprechender Triggerwarnung realitätsnah in eine anrührende Geschichte gepackt, die einen nicht mehr loslässt.

Mika kommt in eine Pflegefamilie, in der bereits andere junge Menschen genesen dürfen. Mika hat wieder Glück in seinem Leben. Nun liegt es an ihm, dieses Glück anzunehmen und etwas Neues zu beginnen. Kann es einen Heilungsprozess geben? Ist dies realistisch oder nur ein Wunschdenken?

Ava Reed hat sich entschieden, zu Mikas Geschichte weitere Geschichten hinzuzufügen. Zusammen ergeben sie eine Familiengeschichte, die aus verschiedenen Charakteren besteht. Mika soll nicht allein bleiben. Aus diesem Grund lässt die Autorin auch Joanna erzählen, wie sie Mikas Ankunft erlebt und was der neue Bruder in ihr auslöst. Bisher war sie die Älteste in der Pflegefamilie. Nun wohnt ein gleichaltriger Junge direkt neben ihrem Zimmer. Die Annäherung der beiden bietet einen schönen Ausgleich, sodass man von den gewaltreichen Details nicht vollkommen auf den Boden gedrückt wird.

Das offene Ende schenkt Hoffnung und Hilflosigkeit. Hinschauen und Hilfe anbieten, ist ein Weg, den der Kioskbesitzer gegangen ist. Er gibt dem hungernden Mika Arbeit und Essen. Aber Mika schämt sich, er will keine Hilfe annehmen. Er will seine Mutter beschützen, die sich nicht beschützen lassen will. Das System von Abhängigkeit und Gewalt ist eine eiserne Kapsel, die sich mit der Brechstange nicht zerschlagen lässt. Und wenn es in den wenigen Fällen dann doch mal geschieht, kann der Ausstieg nicht immer gelingen.

Ava Reed zeigt, wie dieses System beginnen kann. Nur ein Wort mit sieben Buchstaben ist Familie mit Sicherheit nicht. Sie kann alles bedeuten.

Ava Reed: Nur ein Wort mit sieben Buchstaben
Loewe Verlag, November 2023
352 Seiten, Klappenbroschur, 16,95 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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