Zum dritten und letzten Mal entführt uns Anthony Ryan nach Mandinorien, einem Reich, das von einem ebenso korrupten, wie allgewaltigen Handels-Syndikat geführt wurde, und das sich auf einen Rohstoff stürzte, den nur und ausschließlich Drachen lieferten – Drachenblut nämlich. Blaue, rote, grüne und schwarze Drachen wurden gnadenlos und effektiv gejagt, um an ihren Lebenssaft zu gelangen, die Drachenjagd und -zucht war ein mehr als lukratives Geschäft. Ein Blutgesegneter, nur einer unter Tausend Menschen, kann durch Einnahme eine der vier Varianten des Produkts, wie das Blut als rare Handelsware genannt wird (blau, rot, schwarz und grün) seine Fähigkeiten weit über das normale Maß heraus steigern. Blau ermöglicht die telepathische Kommunikation, Rot die Freisetzung von Energie auch mittels Maschinen, Schwarz steigert die Konstitution und persönlichen Kräfte und grün verleiht dem Blutgesegneten Konzentration und an Magie grenzende Heilfähigkeiten.
Dumm, dass der legendäre weiße Drache weder ein Mythos war, noch dem Geschehen weiter tatenlos zusehen mochte. Mit einer Armee von Verderbten – Menschen, die mittels der Drachenmagie in willige Helfer der Lindwürmer verwandelt und kräftemäßig aufgewertet wurden – machte dieser sich auf, die Imperien der Menschen zu erobern und zu vernichten. Ganze Drachenhorden brachen von Norden kommend über die Reiche der Menschen herein. Die Chancen der Menschen den Rachefeldzug der Drachen zu überleben tendieren gegen Null. Einzig die Relikte des Tüftlers, eines genialen Erfinders, und der Überbleibsel einer vergessenen Hochkultur, der es vor Urzeiten bereits einmal gelang, den Weißen zu besiegen, bleiben als mehr als spärliche Hoffnung.
Unser Fokus bleibt dabei weiterhin im Wesentlichen auf drei Figuren. Clay, einst ein schlitzohriger Dieb und unregistrierter Blutgesegneter sucht nach einem am Boden eines Binnenmeers vor Urzeiten versteckten Luftschiffs – und findet Wissen, das beim Kampf unabdingbar wird. Währenddessen versucht die ehemalige Kompanie-Agentin Lizanne die Invasion der Drachen mittels Neuentwicklungen von Waffen und Luftschiffen aufzuhalten – verhindern, besiegen gar, wird sie die Lindwürmer wohl nicht . Zuletzt darf auch einer der Verderbten, der im Auftrag des Weißen die Invasion steuert, zu Wort kommen. Dass er innerlich rebelliert, scheint zunächst ohne Auswirkung zu bleiben.
Bot der Auftaktroman, „Das Erwachen des Feuers“, neben der packenden Action auch durchaus deutliche Kritik an den Mechanismen ungezügelter und unverantwortlicher Gewinnmaximierung durch Konzerne, so stand im Mittelband, „Das Heer des weißen Drachen“, die rasante Action ganz im Mittelpunkt. Im Abschlussband nun wartet der Autor nicht nur mit jeder Menge fesselnd beschriebenen Schlachten auf, er übt auch wieder deutliche Kritik, dieses Mal an der unverantwortlichen Forschung und Experimenten an Lebewesen.
Dass die Figuren hier statt Gentechnik und Skalpell ihre gesteigerten Geistesgaben nutzen, um künstliche Mutationen, Hybriden und Varianten zu schaffen, sich als Schöpfer aufspielen und verantwortungslos vorgehen, erinnert an aktuelle Entwicklungen in der Pharma- und Rüstungsbranche. Das war und ist für Fantasy-Romane selten und funktioniert vorliegend erstaunlich gut. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass Ryan diese Beschreibungen geschickt in die Vergangenheit platziert, und unsere Erzähler hier nur als Chronisten auf diese Erkenntnisse stoßen lässt.
Erstaunlicherweise macht uns der Autor gar eine Zusammenarbeit zwischen den angegriffenen und von der Vernichtung bedrohten Menschen und den schwarzen Drachen wahrhaftig. Eigentlich hätte man, angesichts der Historie, der Menschen, die die Drachen gefangen halten, züchten und gnaden- und mitleidlos abschlachten um an das wertvolle Handelsgut zu kommen eher vermutet, dass die intelligenten Lindwürmer die Gelegenheit sich zur rächen begrüßen würden. Auch ihr genetisch verankertes Erinnerungsvermögen, das dafür sorgt, dass erlittenes Unrecht nicht in Vergessenheit gerät, hätte eine Allianz eigentlich unmöglich machen sollen. Dennoch entscheiden sie sich dafür zusammen mit denen, die sie einst knechteten, folterten und ausweideten gegen den weißen Drachen und dessen Verbündete vorzugehen und erweisen sich so als intelligenter, integerer und letztlich weiser als ihre zweibeinige Verbündete.
Alles in allem bietet diese Trilogie erstaunliches Lesefutter. Neben dem ungewöhnlichen Setting, das uns einmal nicht die fast schon genormte archaische Welt präsentiert, sondern eine Welt in der die industrielle Revolution gerade stattfindet, in der statt Schwert und Streitaxt die Feuerwaffen ihren Siegeszug angetreten haben, wirft Ryan nachdenkenswerte Fragen auf. Daneben zeigt er gefährliche Entwicklungen in einer faszinierenden Kulisse auf, präsentiert uns starke Frauenfiguren, Drachen, die mit den üblichen Darstellungen glücklicherweise so gut wie gar nichts gemein haben und ein atemberaubend spannendes Finale – ergo eine Trilogie, die ihre Leser bestens, anspruchsvoll und packend unterhält.
Anthony Ryan: Draconis Memoria 03: Das Imperium der Asche.
Klett-Cotta, Oktober 2019.
688 Seiten, Gebundene Ausgabe, 25,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.