Angelika Overath hat mit diesem Buch im Jahr 2005 ihr Debüt vorgelegt. Der btb-Verlag hat den Roman jetzt als Taschenbuch neu herausgebracht. Die in Karlsruhe geborene Autorin, die für diesen und andere Romane für diverse Buchpreise nominiert wurde, erzählt hier die Geschichte einer Nacht.
Johanna, Anfang 40, unverheiratet und kinderlos, steht im Krankenhaus am Bett ihrer soeben verstorbenen Mutter. Schließlich kehrt sie für eine Nacht in deren Wohnung zurück. Das erste, was sie tut, sie sortiert die Wäsche, belädt die Waschmaschine, startet das Waschprogramm. Dann fragt sie sich, warum sie dies tut. Johanna streift durch die Wohnung, sieht dies, nimmt jenes in die Hand und alles weckt in ihr Gefühle, Erinnerungen. Es sind gute und es sind schlimme Gefühle, die diese Erinnerungen in ihr wachrufen. Es sind Gerüche vor allem, die Johanna an Dinge, Vorfälle oder Erlebnisse aus ihrer Kindheit und Jugend erinnern.
Johannas Mutter hat immer wieder von „Zuhaus“ gesprochen, dieses „Zuhaus“ war der Bezugspunkt im Leben von Johannas Mutter ebenso wie ihrer Großmutter, die viele Jahre bei der kleinen Familie lebte. Johanna hat keine Geschwister, so konzentrierte sich alles, die Liebe des Vaters, die Ängstlichkeit der Mutter, auf das Einzelkind. Dabei war das verlorene „Zuhaus“, die alte Heimat im Sudetenland, das Maß aller Dinge. Menschen, neue Bekannte, Freunde der Tochter wurden danach bemessen, ob sie bzw. ihre Vorfahren auch von „Zuhaus“ waren.
Die ganze Nacht verbringt Johanna mit diesen Gedanken, bestellt sich eine Pizza, lädt die Pizzabotin zu Essen und Wein ein, hört die Lieblingsmusik ihrer Mutter und verarbeitet auf diese Weise deren Tod. Wie auch ihre eigene Vergangenheit.
Interessant ist vor allem der Stil, in dem Angelika Overath ihre Geschichte, die durchaus biographische Züge trägt, erzählt. Kurze, knappe Sätze, ohne Schnörkel, ohne Farbe, wie eine Stimme ohne Timbre. Da passt das Cover des Taschenbuchs hervorragend dazu. Gerade durch diese spröde Sprache erreicht die Autorin ihre Leser. Besonders wenn man selbst die eigene Mutter bereits verloren hat, entfaltet der Roman eine ganz persönliche Wirkung.
Angelika Overath: Nahe Tage: Roman in einer Nacht.
btb, März 2021.
176 Seiten, Taschenbuch, 12,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.