Bereits auf dem Buchcover sind dem Titel „Manchmal lüge ich“ die beiden Sätze „Ich liege im Koma“ und „Mein Mann liebt mich nicht mehr“ vorangestellt. – Ein spannender Einstieg also, der neugierig macht. Alice Feeney gelingt es, diese Spannung über weite Teile des Textes zu halten, indem sie mit drei Erzählebenen arbeitet.
Ihre Protagonistin Amber liegt im Wachkoma und registriert alles, was um sie herum geschieht und was geredet wird. Aber sie kann sich nicht mitteilen und sie kann sich nicht mehr an alle Zusammenhänge ihres Lebens erinnern. Stumm und reglos lässt sie die Routine des Krankenhausalltags über sich ergehen und lauscht dabei den Gesprächen des Personals oder ihrer Besucher Paul und Claire.
Ambers Mann Paul ist Schriftsteller und Amber ist sich sicher, dass er sie nicht mehr liebt und etwas damit etwas zu tun hat, dass sie erinnerungslos im Krankenhaus liegt. Auch ihrer Schwester Claire, die immer das Lieblingskind ihrer Eltern gewesen war, misstraut sie.
Mit der Zeit füllen sich Ambers Erinnerungslücken nach und nach. Sie weiß, dass sie einen Autounfall hatte und sieht das verunglückte Auto und den beschädigten Baum vor ihren Augen.
Durch die unterschiedlichen Erzählebenen des „Jetzt“, dem „Früher“ und den Tagebucheinträgen aus der Kindheit zeichnet sich allmählich ein Bild von Ambers Persönlichkeit ab, von der Teile jedoch immer vage und im Dunkeln bleiben. Dies trägt genauso zur Spannung bei wie die wiederkehrenden geschilderten Zwangshandlungen Ambers samt ihren obsessiven, destruktiven Gedankengängen.
Nach und nach passen die Puzzleteile des „Früher“, „Jetzt“ und der Tagebucheinträge ineinander und das weitere Beziehungsgeflecht Ambers zu ihren alkoholkranken Eltern, ihrem früheren Freund Edward, der Jugendfreundin Taylor, ihrer Kollegin Jo und ihrer Vorgesetzten Madeline beim Radiosender wird klarer.
Am Schluss ergibt sich aus den Sichtweisen Ambers und Claires auf die jeweilig andere Schwester und die Vergangenheit ein neues Bild. Die vielen Wendungen zum Ende des Romans verwirren jedoch eher als dass sie die Spannung erhöhen. Etwas weniger hätte der weiteren Abfolge gut und wohl auch keinen Abbruch getan. Dennoch überrascht die raffiniert ausgeklügelte späte Rache, die sich offenbart.
Spannender Psychothriller, der die Erwartungen an sein Genre erfüllt.
Alice Feeney: Manchmal lüge ich.
rororo, Dezember 2017.
384 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.