Vigdis Hjorth: Wiederholung

Die 1959 geborene norwegische Bestsellerautorin Vigdis Hjorth gilt als eine der bedeutendsten Gegenwartsautorinnen Norwegens. Sie wurde in Oslo geboren, wo sie auch heute, nach verschiedenen anderen Stationen, wieder lebt. Ihre Werke wurden mit zahlreichen Literaturpreisen, unter anderem dem „Bokhandlerprisen“, bedacht. Für ihren neuen Roman wurde ihr der bedeutendste norwegische Literaturpreis, der „Kritikerprisen“, verliehen. Eine Rezension ihres im März 2024 erschienenen Romans „Ein falsches Wort“ ist in unserem Leselustportal nachzulesen.

Autofiktionale Erzählform

Wie auch in ihrem Roman „Ein falsches Wort“, bedient sich Vigdis Hjorth in „Wiederholung“ einer autofiktionalen Erzählweise. Was sich wirklich wie beschrieben zugetragen hat und was Fiktion ist, bleibt offen.

Vergangenheit wird gegenwärtig

Die Ich-Erzählerin erinnert sich zurück an das Jahr 1975. Damals war sie sechzehn Jahre alt und voller Tatendrang und Begierde, ihren Platz im Leben zu definieren und auszukosten.

Nun, achtundvierzig Jahre später holt die Vergangenheit sie ein.

Damals war die um sie besorgte übermächtige Mutter, die all ihr Tun überwachen und kontrollieren wollte. Eine hysterische, nervöse Angst der Mutter, ihre Tochter könne überfallen und vergewaltigt werden, war stets präsent und machte ihr das Leben schwer. Nur durch Lügen, Tricks und heimliche Alkoholexzesse konnte sie sich der Überwachung entziehen und so zumindest gelegentlich ihren Freiheitsdrang und ihre sexuelle Neugierde stillen. Einzig ihrem Tagebuch vertraute sie sich an. Der Kontrollwahn der Eltern führte so weit, dass diese auch ihre Tagebucheinträge lasen.

Ab diesem Zeitpunkt wurde das Verhältnis zu den Eltern noch problematischer. Der Vater führte ein Verhör mit ihr und distanzierte sich immer mehr. Das, was die Eltern nun von ihr wussten, wurde totgeschwiegen und mit Missachtung bestraft. Fortan fühlte sie sich nur noch schmutzig und schuldig.

Das Lob ihrer Norwegischlehrerin über ihren Aufsatz, dass sie vielleicht einmal von ihrem Schreiben leben könnte, half ihr.

Erdichtet oder wahr?

Waren ihre Tagebucheinträge, von denen die Eltern glaubten, dass sie der Wahrheit entsprachen, erdichtet, weil die Tochter sich die darin beschriebenen Situationen lediglich herbeisehnte? Letztlich ist das egal, denn plötzlich wird sie sich eines in ihrem Unterbewusstsein schlummernden Traumas bewusst. Eine viele Jahre zurückliegende Missbrauchserfahrung innerhalb der Familie ist unvermittelt in ihrer Erinnerung gegenwärtig. Aber alle, die ihr bei ihrer Suche nach der Wahrheit helfen könnten, haben sich verbündet und bleiben stumm.

Was ist wahr, was ist erfunden? Wer hat Vertrauen gebrochen und wen verraten? War alles nur eine Geschichte? War die Geschichte die Antwort auf ihre Sehnsucht oder hat hat sie versucht, mit dieser Geschichte eine schreckliche Wahrheit zu übertünchen?

Die Autorin überlässt die Antwort ihren Lesern.

Vigdis Hjorth verdeutlicht in diesem Roman, dass nichts verschwiegen bleiben darf. Der Wahrheit auf den Grund zu gehen und darüber zu sprechen ist von elementarer Wichtigkeit.

Vigdis Hjorth: Wiederholung.
Übersetzung aus dem Norwegischen: Dr. Gabriele Haefs.
S. Fischer, Februar 2025.
160 Seiten, gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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