Ursula Poznanski: Shelter

Es ist spät geworden. Nach der Feier sitzen nur noch die fünf Freunde zusammen. Eine Frage beschäftigt die Psychologiestudentin Liv: Wie kann man Menschen erreichen, deren Überzeugung so fest ist, dass sie anderslautende Tatsachen komplett ablehnen? Und Benny, der Schauspieler werden möchte, spinnt weiter: „[…] du zeigst ihnen auf eine andere Art und Weise, wie naiv sie sind.“ (S.11)

Man könnte den Verbohrten „[…] eine total bescheuerte eigene Verschwörungstheorie präsentieren, und sobald sie darauf eingestiegen sind, hättest du haha gesagt, ätsch, alles bloß meine persönlichen Hirngespinste […]“ (S. 11)

Kurz darauf haben die Fünf eine Theorie entwickelt, und Livs neues Projekt kann starten. Mit Fake-Accounts und gesprayten Logos in der realen Welt geht es los. Schnell wird allen klar, dass ihre erfundene Verschwörung Widersacher braucht. „Man muss selbst das Gefühl haben, auf der richtigen Seite zu stehen, die Dinge zu durchschauen.“ (S. 49) Also planen sie, die Gegenseite zu steuern. „Wir greifen auf der einen Seite an und verteidigen auf der anderen.“, schlägt Liv vor. „‚Ein paar Sekunden lang starren alle sie an. Dann lachte Darya. ‚Du machst mir Angst‘, sagte sie.“ (S. 50)

Auch Benny bekommt schneller Angst, als ihm lieb ist. Seine Idee findet erschreckend viele Anhänger. Und plötzlich erscheint Octavio in den sozialen Medien und behauptet, der Anführer der Verschwörung zu sein. So nach und nach liefert er hierfür ‚Beweise‘.

Benny ist völlig erschrocken, als Anhänger und Gegner sich im realen Leben bekämpfen und dabei Menschen zu Schaden kommen. Wie kann man dieses Desaster stoppen, wenn jeder nach wie vor an seiner Überzeugung festhält?

Der Name Poznanski steht für extrem kurzweilige Unterhaltung für junge Erwachsene. Die erfolgreiche Jugendbuchautorin erhielt bereits 2010 für ihr Buch Erebos den Deutschen Jugendliteraturpreis. Gekonnt mischt sie Fiktion und reale Ereignisse in eine mitreißende und spannende Geschichte. Im Roman Shelter kämpft Benny lange alleine gegen die Verbohrtheit vieler Anhänger seiner frei erfundenen Verschwörung. Keiner will ihm Glauben schenken. Octavio behauptet, wenn er ihn finden könne, würde er aufhören. Doch wie findet man einen Unsichtbaren in den sozialen Medien?

Ursula Poznanski gelingt auf unterhaltsame Art eine Aufklärung über psychologisch gut aufgebaute Manipulation. Sie zeigt, wie sie sich mit Gutgläubigkeit dynamisch ergänzt. Am Ende bleibt die Frage, was mit einer Gesellschaft geschieht, wenn Menschen nur Macht und das Sammeln von Likes und Follower anstreben. Der Begriff Influencer bekommt schnell einen bitteren Beigeschmack.

Ursula Poznanski: Shelter.
Loewe, Oktober 2021.
432 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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