Hört die Mär von einer, die auszog, den Kaffeegenuss in unseren Breiten zu mehren. Sie alle, werte Zuhörerschaft, kennen sie, eine Ork, einst eine gefeierte und gefürchtete Kämpferin, inzwischen Besitzerin eines gut gehenden Geschäfts um Kaffee und süße Stückchen. Viv der Name der einstigen Reckin, doch heute wollen wir weit zurückgehen in der Zeit zu einer Zeit, da Viv noch jung und wenig erfahren war.
Eben hatte sie sich der Söldnertruppe Rackam´s Ravens angeschlossen, mähte die untoten Streiter einer Nekromantin nieder, wie der Bauer die Ähren auf seinen Feldern, da erdreistet sich solch ein halb verrotteter wandelnder Leichnam doch, ihr seine Pikte durch ihren Oberschenkel zu treiben.
Schwer verwundet lässt ihr Hauptmann sie zur Genesung in einem Küstenort zurück. Er wird sie, nachdem er die Nekromantin erledigt hat, wieder abholen, sogar für den elfischen Heiler hat er in Silber berappt.
Nun ist bekanntermaßen Langeweile alles Laster Anfang – und so schaut sich Viv, gestützt auf eine Krücke, nach Ablenkung um. Mit der Anführerin der örtlichen Wache hat sie sich schon angelegt, ein junges Gör, das meint, sie könne ihr Tor zur Welt des erfolgreichen Söldnerhimmels sein, hat sie auch am Rockzipfel – und das, obwohl sie gar keinen Rock trägt – da lernt sie Fern kennen. Eine Rattin, die im Ort eine etwas heruntergekommene Buchhandlung betreibt.
Sie ahnen es, verehrte Zuhörerschaft, unsere Viv hat eine neue Queste – besagte Buchhandlung auf Vordermann bringen, dabei die Zuneigung der örtlichen Bäckerin gewinnen, ein Skelett aus seiner Rolle aus rechtloser Sklave befreien und die Stadt vor der Nekromantin retten – nicht gerade wenig, was sie sich da vorgenommen hat, oder?
Was ist das doch erneut für ein wunderbar unaufgeregter, locker verfasster und zudem wiederum vorzüglich ins Deutsche übertragener Roman? Keine Fortsetzung zum ursprünglichen Stand Alone Titel „Magie & Milchschaum“, statt dessen ein sogenanntes Prequel, die Vorgeschichte unserer Protagonistin.
Man mische eine dickköpfige Kämpferin, ein abgelegenes Küstendorf, eine kleine gleichgeschlechtliche Romanze und eine drohende Gefahr, füge die Liebe zum Medium Buch und zu wunderbar mundenden süßem Gebäck hinzu und runde mit einer fiesen Gegnerin ab, fertig ist das Rezept für einen unterhaltsamen Roman.
Natürlich hat der Verfasser wieder, herrlich unauffällig Problemfelder inkludiert – es geht um die Suche nach sich selbst, seinem Ziel im Leben, nach dem Mut zu Veränderungen und wieder um Fremdenfeindlichkeit, Ressentiments gegenüber Minderheiten sowie gleichgeschlechtliche Beziehungen.
Das Faszinierende ist, wie Viv ihre selbst gewählte Queste anpackt, wie sie die Figuren – allesamt Außenseiter mit ihrem eigenen Päckchen, das sie zu tragen haben – die sie rekrutiert als geschätzte Wesen akzeptiert, wie sie sind und ihnen letztlich eine Hoffnung und Selbstvertrauen gibt.
Dabei gibt es immer wieder lustige Momente, aber auch Situationen, die uns anrühren, ja melancholisch machen. So ist dies erneut eine Entdeckung – ein munter, flüssig und locker zu lesender Roman voller interessanter Figuren, auf den ersten Blick bekannter Szenarien, die dann aber geschickt gewandelt werden – und dies alles von Wolfgang Thon wunderbar stimmig ins Deutsche übersetzt. Erneut eine klare Empfehlung meinerseits.
Travis Baldree: Bücher & Barbaren 02: Von Kriegerinnen, Knochen und Kartoffeln
aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Wolfgang Thon
dtv Verlag Mai 2024
400 Seiten, Taschenbuch,17,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.