Thomas Thiemeyer: Devil’s River

devilEigentlich scheint das Leben Eves, die aus gut-bürgerlichem, man könnte auch snobistischen Britischen Hause kommt vorgezeichnet zu sein. Sie ist mit einem Bankmanager verlobt, dem sie ins schottische Edinburgh folgen soll, Hochzeit und Kinder, dann Tee-Eilandungen der besseren Gesellschaft. Soirees und Wohltätigkeitsgalas – und doch wird alles ganz anders kommen.

Ihre Emanzipation von der dominierenden Mutter beginnt mit der Eröffnung des Testaments ihrer als extravagant verschrieenen Grossmutter. Diese vermacht ihrer Lieblingsenkelin ihr Anwesen nebst Inhalt und einen altertümlichen Schlüssel. Eve muss das ganze Haus durchsuchen, bis sie auf der Bühne auf eine alte Reisetruhe stößt, in der sie die Aufschriebe ihrer Oma über die Ergebnisse ihrer Ahnenforschung stösst.

Die nächsten 48 Stunden verbringt Eve damit die Ermittlungen über das Leben ihrer Ur-Urgrossmutter zu verschlingen.

Willkommen im Kanada des Jahres 1878. Ein Serienkiller macht die Grenze zwischen den USA und Kanada unsicher. Immer wieder verkleidet sich der ehemalige Kriegsheld als Arzt oder Priester, und erwürgt im Drogenrausch blonde Frauen, bevor er das Weite sucht.
Eine Gruppe von Verfolgern heftet sich auf seine Spuren, verfolgt den Flüchtigen über die Grenze nach Kanada und ins Indianerland. Hier, weitab von dem weißen Mann haben sich die Ojibwe zurückgezogen, leben ein friedvolles Leben im Einklang mit der Natur.

Ihre weise Frau aber ist eine Weiße. River ging bei der Stammesschamanin in die Lehre, seit der Stamm sie, nachdem ihre Eltern ermordet wurde, bei sich aufgenommen hat.
An ihre Eltern hat sie keine Erinnerung mehr, als sie eines Tages in das offensichtlich in Panik verlassene Dorf zurückkehrt. Etwas Böses, etwas aus Haut und Knochen hat ihr Dorf heimgesucht, die besten Krieger enthauptet und ihre Köpfe als Trophäen mitgenommen. Alleine ist sie zu schwach um das Böse zu stellen und zu bannen, das weiß sie. Als sie auf die Häscher und den inzwischen gefangen genommenen Killer trifft, ködert der Gefangene sie mit dem Satz – Es bedarf eines Ungeheuers, um ein Ungeheuer zu töten – ein Angebot, das sie nicht ausschlagen kann ….

Ich kenne und schätze Thomas Thiemeyer als Autor nun schon recht lange. Im Jugendbuchbereich hat er mit den Chroniken der Weltensucher Steampunk-Elemente mit packenden Abenteuern verbunden (Loewe Verlag), im phantastischen Thriller konnte er vornehmlich mit in Afrika angesiedelten Blockbustern punkten.

Immer dann, wenn er in ferne Gegenden, gleich ob er uns in den Dschungel, die Wüste oder das ewige Eis entführt, konnte er mich an die Seiten fesseln und mit seiner Geschichte packen. Dabei vermochte er es stets markante Gestalten mit einer wunderbar beschriebenen Natur zu paaren.

Dieses Mal geht er ein wenig anders vor, als wir dies von ihm gewohnt sind und erwarten. Ausgehend von einer Rahmenhandlung im Hier und Jetzt erzählt er uns die Geschichte einer Jagd nach einem Killer in einem Umfeld, das wir aus unzähligen Western zu kennen glauben.

Indianer, Sheriffs, dazu Agenten von Pinkerton und ehemalige Konföderierte – die Versatzstücke kommen uns auf den ersten Blick sehr bekannt vor.
Ungewöhnlich erweist sich dann zunächst das nähere Setting; – nicht etwa der Wilde Westen, die hügelige Weiten des Mittelwestens sondern die Grenzregion zwischen den USA und Kanada, die sich zu dieser Zeit nicht eben grün sind, dient als Handlungsort.

Auch die Beschreibung der Figuren weicht vom Üblichen ab. Die Indianer werden differenziert beschrieben, jede der Figuren wird mit einem glaubwürdigen Hintergrund ausgestattet, und handelt dann diesem folgend entsprechend glaubwürdig. Dabei gelingt es dem Autor immer wieder eine neue Facette des Charakters der Gestalt zu präsentieren und uns mit Geheimnissen zu überraschen.

Erst spät, fast schleichend, dann aber mit der Wucht eines Tornados wird das Übernatürliche in den Plot eingeführt. Dabei vermeidet der Autor geschickt abgegriffene Topics – den Wendigo sucht man ebenso vergebens wie Vampire oder Werwesen – stellt uns ein dunkles Wesen vor, das überzeugend in die Kultur der Indianer integriert ist, und das bestialische agiert.
Einzig die etwas vorhersehbare, zu melo-dramtische Rahmenhandlung passt nicht ganz ins Bild. Ansonsten legt Thiemeyer einen stimmigen, rasanten und packenden Thriller vor, der den Leser seine Umgebung vergessen lässt.

Thomas Thiemeyer: Devil’s River.
Knaur, März 2015.
512 Seiten, Taschenbuch, 16,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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