Thomas Schlesser: Monas Augen

Kunstgeschichte in Romanform – interessante Idee etwas unrealistisch umgesetzt

52 mal Kunst in ebenso vielen Wochen besucht ein kleines Mädchen zusammen mit seinem Großvater. Und erlebt so eine Reise zu den berühmtesten Werken in den berühmtesten Museen Frankreichs.

Die kleine Mona verliert für 63 Minuten ihr Augenlicht. Es wird alles schwarz, während sie am Tisch über ihre Hausaufgaben gebeugt ist. Die Eltern sind verständlicherweise schockiert und sehr besorgt, gehen mit der Zehnjährigen zu Ärzten und Fachleuten. Da sich medizinisch keine Ursache für die vorübergehende Erblindung des Mädchens finden lässt, rät man den Eltern, das Kind zu einem Psychiater zu schicken.

Monas Großvater Henry befindet, das sei keine gute Idee, er habe eine bessere. Indem er Monas Eltern gegenüber behauptet, er würde ab jetzt jede Woche einmal mit dem Kind zum Psychologen gehen, sich aber jede Frage der Eltern zum Ablauf und Stand der Behandlung verbittet, gelingt es ihm, Mona jeden Mittwoch für sich zu haben. Er wird mit ihr aber nicht den Arzt, sondern die großen Pariser Museen aufsuchen. Zuerst geht es in den Louvre, dann ins Musée d’Orsay und schließlich ins Centre Pompidou.

Doch Henry schlendert nicht wie jeder andere Mensch durch die Ausstellungsräume. Stattdessen steht jeden Mittwoch nur ein Werk auf dem Programm. Er weist Mona an, sich jeweils vor das Gemälde oder die Skulptur zu stellen und sich in die Betrachtung zu versenken, minutenlang, 20 Minuten, 30 oder 40 Minuten, möglichst ohne zu sprechen.

Danach darf sie, die erst Zehnjährige, ihre Eindrücke schildern und bekommt dann vom Großvater nicht nur die Geschichte des jeweiligen Kunstwerks erklärt, sondern auch alles Wissenswerte über den Künstler oder die Künstlerin. Die im Roman besprochenen Werke sind im Buch im vorderen und hinteren Bucheinband abgebildet.

So geht es über 52 Kapitel. Großvater und Enkelin gehen ins Museum, stellen sich vor das Werk, welches erst ausführlich und sehr detailliert beschrieben wird, quasi aus dem Off. Anschließend folgt das seitenlange Gespräch zwischen den Beiden. Eingebettet ist das Ganze in eine recht alibimäßig gehaltene Rahmenhandlung. Ziemlich schematisch wechseln drei Handlungsebenen, die aber nur wie Brücken wirken zwischen den Museumsbesuchen.

Eine folgt Mona in die Schule, man lernt einige Mitschüler:innen kennen, ihre Freundinnen. Jungs, die mobben und solche, die gemobbt werden. Zweiter Handlungsort der Rahmenhandlung ist der Laden von Monas Vater, der immer wieder am Rand der Pleite schwebt, weshalb der Vater zum Alkoholiker wird.

Und schließlich die dritte Variante der Rahmenhandlung sind die ständigen Arztbesuche und die umfangreichen Untersuchungen, denen Mona unterzogen wird. Dazu kommt noch die immer wiederkehrende Erinnerung Monas an ihre Großmutter, Henrys verstorbene Frau, die offensichtlich einen erheblichen Einfluss immer noch auf die aktuellen Ereignisse zu haben scheint.

Die Botschaft und die Idee, die offensichtlich hinter diesem Roman steht, ist löblich und im Ansatz auch nicht schlecht. Die Umsetzung aber erscheint mir arg unrealistisch und zudem wird durch die ausufernde Beschreibung der Bilder und die ausschweifende Unterhaltung zwischen Großvater und Enkelin das Ganze derart erschöpfend, dass man irgendwann eigentlich nur noch zum Ende kommen will.

Besonders unglaubwürdig scheint mir ein zehnjähriges Mädchen, das sich geduldig ein Jahr lang die drögen Vorträge des Großvaters anhört. Dazu kommt die Sprache, in welcher sich sowohl Henry wie auch Mona ausdrücken. Dass ein Kind in diesem Alter solche Worte versteht, sie nicht hinterfragt, sie schließlich selbst ganz locker verwendet, das erscheint mir wirklich zu weit hergeholt.

Dazu kommt die ziemliche Überzeichnung der Figuren. Die Mutter ist sehr schrill, stets kurz vor der Explosion, streitet mit den Ärzten, hetzt von Termin zu Termin. Der Vater stets verzweifelt, ohne Selbstvertrauen, schämt sich, trinkt aber weiter. Der Großvater, elitär, abgehoben, der die ärztlichen Anweisungen ignoriert, um der Enkelin Kunstwerke zu zeigen. Und schließlich ist der Stil, die Sprache des Buchs im krassen Gegensatz zur Thematik eher einfach, sind die Formulierungen schlicht und die Schilderungen wenig bildhaft

So schön die Geschichte im Ansatz ist, so ermüdend ist leider die Umsetzung. Was die Lesefreude ein wenig trübt, auch wenn der Roman als Ganzes durchaus lesenswert ist.

Thomas Schlesser – Monas Augen
aus dem Französischen von Nicola Denis
Piper, September 2024
Gebundene Ausgabe, 494 Seiten, 26,00 €

Diese Rezension wurde verfasst von Rena Müller.

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