Die französische Schriftstellerin und Künstlerin Claudie Hunzinger (Jahrgang 1940) erhielt für „Un chien à ma table“ 2022 den Prix Femina (französischer Literaturpreis, der jährlich von einer ausschließlich weiblich besetzten Jury vergeben wird). Am 15. Oktober 2024 ist dieser Roman unter dem Titel „Ein Hund an meiner Tafel“ bei Rowohlt erschienen. Es ist Hunzingers erster Roman, der auf Deutsch veröffentlicht wurde. Übersetzt hat ihn Timea Tankó.
Sophie, Grieg und Yes in ihrer „Hundehütte“
Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht, als ich „Ein Hund an meiner Tafel“ von Claudie Hunzinger zum Lesen auswählte? Hatte mich da mein eigener, bisher unerfüllter Wunsch nach einem Haustier geleitet und wollte ich erfahren, wie es einer älteren Dame mit der Aufnahme einer Hündin ergangen ist? Vielleicht.
Claudie Hunzinger erzählt die Geschichte von Sophie und Grieg, einem alten Paar, die abgeschieden in einem Haus in den Vogesen leben. Er liest und schläft. Sie schreibt und streift durch die Natur rund um das Haus. Eines Tages läuft ihnen eine junge Hündin zu, die scheinbar Opfer eines zoophilen Übergriffs geworden war (Zoophilie oder Sodomie ist der Vollzug sexueller Handlungen von Menschen mit Tieren). Spätestens an dieser Stelle des Romans, das ist auf Seite 12, hätte ich das Buch weglegen sollen.
Aber ich las weiter: Sophie nennt die Hündin „Yes“. Für Sophie wird Yes eine Gefährtin, mit der sie die Natur erkundet und die sie auf ihren langen Streifzügen begleitet. Sophie treibt die Angst um, das Yes’ Peiniger nach ihr suchen.
Das Paar und die Hündin schlafen in einem Bett, und Sophie lässt sich morgens von Yes ausgiebig das Gesicht ablecken:
„Yes war morgens immer vor mir wach, wartete, dass ich mich bewegte, die Augen öffnete, damit sie auf mich klettern und mich küssen konnte. Mit ihrer Zunge, lang und rosa, sprach sie zu mir …Taufte mit ihrer Zunge mein Gesicht. Die Augen, die Nasenlöcher, den Mund. Mein Mund, dessen Inneres ich ihr verwehrte, hatte es ihr besonders angetan.“ (S. 99/100)
Das ist die zweite Stelle, an der ich erwog, das Buch nicht weiterzulesen. Dennoch tat ich es: Sophie und Grieg führen ein einsiedlerisches, menschen- und weltabgewandtes Leben. Einst gaben sie sich kämpferisch und rebellisch. Aber nun wollen sie (insbesondere Grieg) nichts mehr von den Menschen und der Welt wissen. Grieg versinkt in seinen Büchern und Sophie flieht in die Natur, verschmilzt beinahe mit ihr. Sie spüren ihr Alter und das Ende des Lebens. Und eines Tages ist Yes wieder fort. Sophie setzt sich an ihren Tisch und schreibt „Ein Hund an meiner Tafel“.
Eine Ode an die Natur kann auch ein schlechtes Buch sein
Tja, was soll ich sagen zu einem Buch, in dem sich die Protagonisten mit „mein alter Schurke, mein Knauser“ für Grieg und „Fifi, Hinde (Hirschkuh) oder Winde“ für Sophie anreden? Oder in dem Sophie Yes mit einem Stück Apfel füttert, das sie direkt von ihrem Mund in das geöffnetes Maul der Hündin fallen lässt?
Das beste in dem Buch sind Claudie Hunzingers Naturbeschreibungen, ihre Ode auf die Natur. Das andere ist eine Geschichte von zwei alten, misanthropischen Menschen mit einem schlecht erzogenen Hund. Und die lohnt es sich nicht zu lesen!
Claudie Hunzinger: Ein Hund an meiner Tafel.
Aus dem Französischen von Times Tankó.
Rowohlt, Oktober 2024.
288 Seiten, Gebunden, 24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.