Tessa Maelle: Amets: Der Riss im Traumnetz

Erster Eindruck

Schon nach den ersten Seiten lebt der Leser in der Geschichte. Die Amets, ein naturverbundenes Volk, leben in einer matriarchalisch bestimmten Gesellschaft. Jeder hat seinen Platz, seine Aufgabe und seine Verantwortung. Doch die Idylle wird getrübt. Selbst Autor von Fantasy-Romanen interessierte mich, wie Tessa Maelles sympathische Figuren in „Die Amets – Der Riss im Traumnetz“ sich der Herausforderung stellen. Um es vorwegzunehmen: Sie tun es auf eine Art, die ihrer Lebensweise, ihrer Tradition und ihrer Logik entspricht.

Inhalt

Sironas harmonisches Leben im Dorf Cadal wird von einer lange hinausgezögerten Entscheidung überschattet: Soll sie ihre Mutter als Clanchefin beerben, oder soll sie den Weisen Frauen folgen, die mit ihren Träumen das Traumnetz der Amets weben und so über ihr Schicksal wachen? Das plötzlich auftretende Ausbleiben der Träume und eine unter Frauen um sich greifende Krankheit gefährden den Wohlstand, die Sicherheit und das Leben des Volkes. Als zudem der hochgestellte Bote Cedre aus Tebulon erscheint, der von gleicher Gefahr für sein Dorf berichtet, scheint es nur einen Ausweg zu geben. Folgerichtig bricht die Clanchefin Ma Yalá mit Sirona, Cedre und zwei weiteren Begleitern im Auftrag der Weisen Frauen auf nach Dinas Tur, um die Symbole aus den wenigen verbliebenen Träumen zu deuten und von Kendra, der dortigen Ehrwürdigen der Weisen Frauen, Rat zu erbitten.

Schreibstil

Tessa Maelle entführt uns in ein Land, das wir auf den ersten Blick als landwirtschaftlich bestimmt und vor allem als farbenfroh erkennen. Harmonie bestimmt ihren Schreibstil, der im ersten Drittel des Buches vorwiegend freundliche, helle Bilder zeichnet. Das Einflechten weiterer Handlungsstränge zeigt Konflikte auf, die die Autorin durch dunkle Gedanken ihrer Figuren andeutet und in deren Dialogen und Handeln vor uns ausbreitet. Die Ursache der Gefahr deutet sie in kurzen Kapiteln an, in denen die beiden Widersacher ohne Bezug zu den Hauptfiguren abwechselnd zu Wort kommen. So baut Maelle auf kleinen Unregelmäßigkeiten Spannung auf, die sich stetig steigert. Sympathisch finde ich, dass ruhige Passagen zwischendurch den Leser Ruhe finden lassen. Kleine Details neben der Haupthandlung machen den Roman lebendig. Die Figuren, durch deren Augen wir in den einzelnen Kapiteln abwechselnd sehen, sind durch ihre Gedanken, die vor und zurück wandern, dreidimensional. Die Darstellung ihres jeweiligen Charakters überwiegt vor einer körperlichen Beschreibung und lässt dem Leser genügend Spielraum, sie sich vorzustellen und sich mit ihnen zu identifizieren.

Fazit

Wer im Genre Fantasy eine männlich dominierte Gewalt nicht zur Bedingung einer guten Geschichte macht, wird in Tessa Maelles „Der Riss im Traumnetz – Die Amets“ reichlich Lesevergnügen finden. Mit Welten jonglierende Götter und kriegslüsterne Prinzen überlassen ihren Platz dem von Frauen gepflegten Harmoniestreben. So ist der Roman vom Setting, vom Plot und von den Figuren her gute Fantasy, spannend und angenehm zu lesen, und er öffnet die Gedanken für eine Abkehr von unserer Ellbogen- und Leistungsgesellschaft hin zu mehr Einklang mit der Natur.

Tessa Maelle: Die Amets – Der Riss im Traumnetz
Alea Libris Verlag, April 2025
384 Seiten, broschiert, 17,90 €

Diese Rezension wurde verfasst von Michael Kothe.

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