Heinz Strunk: Ein Sommer in Niendorf

Ein Mann namens Roth nimmt sich eine dreimonatige Auszeit vom Job und mietet sich in einer Ferienwohnung mit Blick aufs Meer in Niendorf an der Ostsee ein. Dort will er in aller Ruhe einen großen Roman über seine Familie schreiben. Jetzt muss er nur noch die 44 Tonbänder mit den Interviews mit seinen Familienangehörigen durchhören – und los geht‘s.

Natürlich kommt alles ganz anders. Erstens hadert unser Möchtegern-Autor mit seinem Stoff, zweitens wird er mehr und mehr abgelenkt – zum Beispiel von einem grob gestrickten Proleten namens Breda und seiner dicklichen Freundin Simone, die Roth immer öfter zum abendlichen Saufen animieren – die aber auch mehr und mehr zu seinem einzigen sozialen Kontakt zur Außenwelt werden.

​Roth sackt immer weiter ab. Er hat mehr oder weniger einen Dauerkater, steigt unglücklich einer Kellnerin nach, lässt sich von einem Seniorenpaar durchfüttern und hat bei einem Ausflug nach Hause im Auto ein unschönes Erlebnis. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Viola Ardone: Ein Zug voller Hoffnung

Die 1974 geborene Autorin Viola Ardone aus Neapel verarbeitet ein Kapitel aus der italienischen Geschichte zu einem Roman: Nach dem Krieg wurden fast 100.000 Kinder aus dem armen Süden in den reicheren Norden geschickt.

Amerigo Speranza ist sieben Jahre alt und lebt mit seiner lieblosen und ungebildeten Mutter unter ärmlichen Verhältnissen in Süditalien. Als er in den Norden kommt, eröffnen sich für ihn neue Welten – und das gilt nicht nur für das Angebot an Nahrungsmitteln. Er lernt, wie es in einer liebevollen Familie zugehen kann, und entdeckt die Liebe zur Musik.

​Dreiviertel des Romans sind aus der kindlich-naiven Sicht des Kindes geschrieben. Das eröffnet Chancen und Risiken zugleich. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Max Osswald: Von hier aus betrachtet sieht das scheiße aus

Ben Schneider ist deprimiert. Er hat keine Freude mehr, leidet an seinem Job in einer Steuerberatungskanzlei und generell an seinem ganzen Leben. Deshalb beschließt er, seinem Dasein ein Ende zu setzen.

Aber es soll kein normaler Selbstmord sein, er will spektakulär aus dem Leben scheiden. Deshalb beauftragt er über einen Mittelsmann einen Auftragskiller, der ihn für 40.000 Euro ins Jenseits befördern soll – aber erst in 50 Tagen. Eine Rücknahme dieses Auftrags ist nicht möglich.

Es ist ein bisschen vorhersehbar, wie sich die Geschichte entwickelt. Unser Held, der seinen Job kündigt, lernt wieder Freude am Leben zu empfinden. Er findet unter anderem eine Freundin und söhnt sich mit seiner Schwester und Mutter aus. Will er jetzt überhaupt noch sterben? Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Simon Stephenson: Kurioses über euch Menschen

Jared ist ein Roboter, der im Jahre 2054 in Michigan/USA lebt und als Zahnarzt arbeitet. Als er feststellt, dass er Gefühle hat, muss eine Fehlfunktion vorliegen, denn auf so etwas ist er nicht programmiert. Eigentlich müsste er sich abschalten lassen. Doch dem entzieht er sich, indem er nach Los Angeles aufbricht, um ein Drehbuch für einen Film zu schreiben, der zeigt, dass Roboter durchaus Gefühle entwickeln können.

„Kurioses über euch Menschen“ des Drehbuchautors Simon Stephenson ist ein spannender und anrührender Unterhaltungsroman mit viel Witz, der sich vor allem aus dem Gegensatz zwischen den (zumeist) logischen Gedankengängen des Roboters und dem unlogischen menschlichen Handeln ergibt. Dabei wird „uns Menschen“ oft ein Spiegel vorgesetzt, der zu denken gibt. Ein Beispiel: Jared sagt: „Wenn ein Bot immer wieder denselben Fehler macht, gilt er als fehlerhaft. Wenn ein Mensch wiederholt denselben Fehler macht, gilt er als hartnäckig und wird als Held gefeiert.“ Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Tad Williams: Brüder des Windes

Wer mal zwischendurch einen reinrassigen High-Fantasy-Roman lesen möchte, ohne gleich einen mehrere tausend Seiten langen Mehrteiler in Angriff nehmen zu müssen, aus denen die Werke dieses Genres häufig bestehen, dem sei hiermit Tad Williams‘ „Brüder des Windes“ empfohlen.

Zwar ist auch dieser Roman im Osten-Ard-Universum des kalifornischen Erfolgsautors angesiedelt, und einige der Figuren tauchen auch in anderen Werken der Reihe auf, aber er lässt sich auch leicht verstehen, wenn man zuvor noch keine Berührungspunkte mit dieser fiktiven Welt hatte, die an Tolkiens „Mittelerde“ erinnert.

​Die Zutaten sind hier eine böser Drache, einsame Bergfestungen mit eigenbrötlerischen Herrschern, zwei ungleiche Brüder, ein treuer Diener und ein endloser Schmerz, den einer der Brüder ertragen muss. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Stefan Hertmans: Der Aufgang

Der belgische Autor Stefan Hertmans kauft ein altes Haus in Gent und stellt bald fest, dass dort früher ein gefürchteter Nazi-Kollaborateur im SS-Offiziersrang mit Hitler-Büste auf dem Kaminsims gewohnt hat. Anhand von Tagebuch-Aufzeichnungen seiner Familienmitglieder und persönlichen Gesprächen rekonstruiert er den Lebensweg dieses Mannes und der Menschen in seinem Umfeld.

Herausgekommen ist ein lesenswerter Mix aus Sachbuch und Roman, der die Atmosphäre während der Nazizeit in einem von den Deutschen besetzten und durch seinen Flamenkonflikt ohnehin zerrissenen Land wie Belgien sehr gut widerspiegelt.

​Willem Verhulst – so heißt der Nazi – stellt gnadenlos Listen mit Menschen zusammen, die in die Konzentrationslager gebracht werden. Gleichzeitig hat er Angst, auf die Straße zu gehen, als der Wind sich dreht. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Dirk Kurbjuweit: Der Ausflug

Vier Freunde unternehmen eine Kanutour irgendwo in der deutschen Provinz. Von Anfang an merken sie, dass ihnen die Einheimischen nicht wohlgesonnen sind. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass einer der Vier schwarz ist. Diese Ablehnung löst anfangs bei den Ausflüglern nicht mehr als eine Beklemmung aus, die man ignorieren kann, wird später aber zu einer tödlichen Gefahr.

Dirk Kurbjuweits Roman ist seltsam. Man weiß nicht recht, ob er Thriller, Drama, Sozialexperiment, Horrorroman oder Groteske ist. Für Letzteres spräche, dass die Bedrohung der Freunde ein Maß erreicht, das jeglicher Realitätsgrundlage entbehrt. Für einen Thriller ist der Roman nicht spannend genug, denn die Ereignisse auf den Flüssen und in den Schleusen der Umgebung werden immer wieder durch Rückblenden unterbrochen, die nichts zum Handlungsfortgang beitragen. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Tobias Sommer: Das gekaufte Leben

Clemens Freitag ist Höchstbietender eines ungewöhnlichen Angebots im Internet. Da verkauft jemand für 250.000 Euro sein komplettes Leben – mit Haus, Auto, Boot, Job, Freunden und dem Posten als Vorsitzendem im Angelverein. Von jetzt auf gleich scheint das bis dato offenbar verkorkste Dasein Freitags eine 180-Grad-Wende zum Guten zu nehmen.

Der dtv-Verlag bewirbt dieses Buch im Klappentext so: „Ein faszinierendes Gedankenspiel – Tobias Sommer zeigt uns, wie es sein könnte, das Leben eines anderen zu leben.“ Diese Beschreibung trifft den Inhalt des Romans nicht im Mindesten, denn der entwickelt sich mit wachsender Seitenzahl immer mehr zu einem etwas verworrenen Thriller. Auf dem Grund des Waldsees, der an das von Freitag erworbene Grundstück grenzt, ruht ein dunkles Geheimnis, in das der Vorbesitzer und Leben-Verkäufer mutmaßlich verwickelt ist. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Maxim Leo: Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße

Michael Hartung, Besitzer einer schlecht laufenden Videothek, wird durch einen Journalisten mit einem (fiktiven) Vorfall konfrontiert, an dem er in den 80er-Jahren beteiligt gewesen war. Damals soll er eine Weiche so gestellt haben, dass ein Zug mit 127 Menschen am Bahnhof Friedrichstraße unbehelligt von Ost- nach West-Berlin fuhr.

Der Journalist möchte daraus zum 30. Jahrestag des Mauerfalls ein Heldenepos schreiben – allerdings hat das Ganze einen Schönheitsfehler: Hartung war damals nur rein zufällig an dem Vorfall beteiligt. Ganz sicher hat er nicht freiwillig 127 Menschen die unverhoffte Flucht in den Westen ermöglicht. Doch solche Feinheiten sind dem Journalisten, der nur seinen Ruhm vor Augen hat, herzlich egal. Das Drama bis hin zu einer Rede, die Hartung im Deutschen Bundestag halten soll, nimmt seinen Lauf. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Philipp Winkler: Creep

Philipp Winkler, ein 1986 geborener Autor hat ein Händchen für Außenseiter. In „Carnival“ (2020) galt seine Aufmerksamkeit denjenigen, die eine Kirmes am Laufen halten – dem „fahrenden Volk“ -, in seinem neuen Werk „Creep“ sind es zwei Menschen, die Probleme im Umgang mit anderen Menschen haben.

Da ist zunächst Fanni, die in einer deutschen Firma für Überwachungstechnik arbeitet. Sie hat eine Lieblingsfamilie, die Naumanns, mit denen sie per Fernüberwachung gemeinsam isst und lacht, ohne dass die Familie etwas davon weiß. Ansonsten kommt sie weder mit ihren Eltern, noch mit ehemaligen Freundinnen und Freunden klar.

​Und da ist der Japaner Junya, der nur nachts sein Zimmer verlässt, um Gewalt-Exzesse auszuüben, die er dann im Darknet in der Hoffnung streamt, möglichst viele Likes zu bekommen. Die beiden sind „creepy“ – etwas gruselig. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten: