Sophie Villard: Cartier: Der Traum von Diamanten

Man trifft sich bei „Maxim’s“, vielleicht sogar auch mal im Moulin Rouge – dieses Etablissement gilt zwar als verrucht, aber man muss ja mitreden können; man speist im „Ritz“, wo Auguste Escoffier der Küche zu Ruhm und betuchten Gästen verhilft und der ein oder anderen Dame auch mal eine Kreation widmet, so wie der Künstlerin Nellie Melba ein Dessert: „pêchemelba“; man trifft sich auf ein Glas Champagner im „Deux Magots“ oder in den edlen Bistros auf den vornehmen Boulevards, kurz, das gesellschaftliche Leben im Paris des angehenden 20. Jahrhunderts pulsiert. Man – sofern man es sich leisten kann – kauft edel ein, Düfte beim Parfumeur Guerlain, Hüte lässt man sich je nach Anlass bei Coco Chanel fertigen, dazu eventuell auch ein edles Kleid, Koffer und Taschen für alle Gelegenheiten gibt es bei Vuitton. Und den passenden Schmuck leistet man sich bei „Cartier“.

Einem Zufall hat Jeanne Toussaint es zu verdanken, dass sie Teil dieses „Traums von Diamanten“ werden darf. Nachdem ihre Verlobung mit einem französischen Adeligen ist, – Jeanne war der Familie einfach nicht standesgemäß – verdient sich Jeanne ihren Lebensunterhalt als Näherin. In ihrer Wohnung im Montmartre näht sie Kostüme für die Tänzerinnen des „Moulin Rouge“ oder führt Aufträge für ihre Freundin Coco aus. Bei einem Besuch mit Coco in einem Nachtclub lernt sie zufällig den Juwelier Louis Cartier kennen. Besonders geschmackvolle Ohrringe erregen Louis‘ Aufmerksamkeit. Louis ist fasziniert von dieser jungen Frau, erkennt ihr Gespür für Stil und Design, ihr Talent. Er bietet ihr die Chance, zunächst zweimal in der Woche bei Cartier in der Designabteilung mitzuarbeiten und Entwürfe für neue Schmuckstücke zu kreieren.

Sehr zum Ärger seines Chefdesigners, der die junge Frau auch immer wieder spüren lässt, wie unpassend er die Entscheidung seines Chefs findet. Doch nach und nach erwirbt sich Jeanne mit ihren Ideen und ihrem Charme und Talent Respekt unter den Kollegen – in der Abteilung ist sie die einzige Frau und natürlich der Gerüchteküche ausgesetzt. Louis, der älteste der drei Brüder Cartier, die jeweils eine Dependance in London, bzw. New York leiten, fühlt sich immer mehr zu Jeanne hingezogen, doch Jeanne hält ihn auf Abstand – eine Affäre mit dem Chef? Kommt überhaupt nicht infrage. Die gesellschaftlichen Konventionen lassen das auf keinen Fall zu.

Die Person der Jeanne, der Protagonistin in diesem Roman ist fiktiv, viele andere Personen, die eine Rolle spielen allerdings nicht. So hat Coco Chanel, genau wie ihre Freunde Misia und Cocteau zu dieser Zeit in Paris gelebt, ebenso wie der berühmte Koch Auguste Escoffier wirklich im „Ritz“ gekocht hat oder Louis Vuitton seine Karriere in der Nachbarschaft von „Cartier“ begonnen hat.

Die Autorin erzählt die Geschichte des Hauses Cartier – und damit auch von Jeanne Toussaint – aus drei verschiedenen Perspektiven. Einmal aus Paris, wo das Stammhaus von Louis geleitet wird, dann aus London und aus New York, aus der Sicht seiner Brüder Pierre und Jacques. Der erste Teil der Dilogie, „Der Traum von Diamanten“ beginnt 1910 und schildert eine Zeitspanne bis 1918, also über den Ersten Weltkrieg hinweg. Am Beispiel der Familie und des Unternehmens Cartier schildert der Roman sehr anschaulich die politische Lage in Europa und international. Die politischen Entwicklungen bringen nicht nur das Geschäft der Cartiers in Gefahr, auch die Familie hat große Herausforderungen zu meistern. Eindrücklich, raffiniert und sehr atmosphärisch. Eine beeindruckende, schillernde Familiensaga.

Sophie Villard: Cartier: Der Traum von Diamanten
Penguin, November 2024
528 Seiten, Paperback, 16,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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