Die fast 11-jährige Melody leidet an Zerebralparese, die das Mädchen sich fühlen lässt wie in einem Käfig ohne Tür und Schlüssel. Sie kann nicht sprechen, nicht laufen, nichts. Und doch hat sie ein fotografisches Gedächtnis und kann sich alles merken, was ihr begegnet. Ihre Eltern spüren, dass das Mädchen intelligenter ist als sie aussieht und geben alles dafür, dass sie eine normale Schule besuchen kann. Mit Hilfe eines medizinischen Computers kann Melody sich endlich verständlich machen und überrascht nicht nur ihre Lehrer.
Was dieses Mädchen tagtäglich durchmacht, können sich vermutlich nur wenige ihrer Leserinnen und Leser vorstellen. Und doch kommt man ihr in den einzelnen Kapiteln sehr nahe. Ihr Schicksal ist natürlich berührend, aber man entwickelt auch eine Art Verständnis für ihre Situation. Besonders in ihrer frühen Kindheit wird sie oft missverstanden, möchte ihren Eltern etwas ganz Wichtiges, Bestimmtes sagen und kann es nicht. Mit dem Computer an ihrer Seite wird etwas einfacher, aber keineswegs nur einfach. Denn noch immer ist sie an den Rollstuhl gefesselt und kann nur einen minimalen Bruchteil dessen, was ihre Klassenkameraden können.
„Mit Worten kann ich fliegen“ ist ein toller Roman übers Erwachsenwerden unter besonderen Bedingungen, über Ausgrenzung und das Besondere eines jeden einzelnen Menschen. Jeder Mensch hat etwas, das an ihm nicht perfekt ist. So könnte man eine der Grundaussagen zusammenfassen. Bei Melody ist es eben der Körper, während ihr Verstand völlig klar ist. Die Seiten fliegen nur so dahin und die zeitlos gewählte Sprache macht den Roman gleichermaßen für Erwachsene und interessierte junge Leserinnen und Leser interessant.
Auf jeden Fall lesenswert! Melodys Geschichte berührt und öffnet die Augen für die kleinen Schätze des Lebens.
Sharon M. Draper: Mit Worten kann ich fliegen.
Ueberreuter, Februar 2014.
320 Seiten, Gebundene Ausgabe, 14,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.