Wie soll man ein Buch rezensieren, das sich mit historischen Figuren und historischen Ereignissen befasst, auch wenn es vordergründig als Roman erscheint? Noch schwieriger wird es, wenn es sich bei den Ereignissen um den Widerstand gegen die Nationalsozialisten in den 30er und 40 Jahren des letzten Jahrhunderts handelt. Denn die Handlung entzieht sich von vornherein einer Bewertung. Bleibt also, den Stil der Autorin zu betrachten.
Der vorliegende Roman ist der zweite Band einer Trilogie um den Deutschen Widerstand. Dabei konzentriert sich die Autorin insbesondere auf die Familien respektive die Ehefrauen der Widerständler. Leider habe ich den ersten Band nicht gelesen, das mindert aber weder Verständnis noch Wirkung dieses Romans.
Geschildert werden die Ereignisse beginnend 1912 bis Ende 1943. Die Leserin wird mitgenommen auf die Familiensitze der, oft adligen, Protagonisten. Deren Namen jeder kennt oder kennen sollte: Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Helmuth James Graf von Moltke, Peter Yorck Graf von Wartenberg oder Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, um nur einige zu nennen. Wir lernen diese Männer kennen als Schulbuben, als Gymnasiasten und Studenten, wir begleiten sie auf Brautschau und belauschen sie bei Familienfeiern. Und immer wieder führen sie heftige, streitbare und tiefgründige Diskussionen über die Lage im Land, die politische zumeist, aber auch die wirtschaftliche oder soziale.
Gegenpol zu diesen Adligen, Privilegierten sind der Sozialdemokrat Julius Leber und der später unter anderem Namen allseits bekannte Herbert Frahm.
In kurzen Episoden, fast wie Streiflichter, erleben wir die Entwicklung der Widerständler mit. Diese Entwicklung, die im Grunde nur zu ihrem späteren Handeln führen konnte, die sich aus ihrer Erziehung, ihrem Umfeld und ihren Charakteren begründet. Von diesem Gesichtspunkt aus ist der Roman durchaus spannend.
Jedoch, insbesondere bedingt durch die teils wirklich sehr kurzen Kapitel, fällt es schwer, eine Beziehung zu den Personen, die ja trotz allem Figuren eines Romans sind, aufzubauen. Sie blieben mir fremd, natürlich auch bedingt durch die zeitliche und die gesellschaftliche Distanz. Auch aufgrund der Vielzahl der Handelnden – die Familien waren groß und weit verzweigt – über die man schnell mal den Überblick verliert, gibt es nicht den Einen oder die Eine, an der man als Leserin mehr Anteil nimmt, nicht den einzelnen Protagonisten, mit dem man mitfiebert, mitfühlt.
Auch schien es mir, als habe selbst die Autorin stets eine gewisse Distanz zu ihren Figuren bewahrt. Trotz der Einordnung als Roman wirkt das Buch im Stil mehr wie eine Biographie, wie ein historisches Sachbuch. Wenn man es unter dieser Prämisse liest, entwickelt es eine gewisse Anziehungskraft, als Roman ist es mir ein wenig zu sachlich.
Sabine Friedrich: Was sich lohnt.
dtv, Januar 2021.
416 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.