Straßburg, 1349: Landesweit kommt es zu Unruhen und Aufstände gegen die jüdische Bevölkerung. Sie stehen im Angesicht der Pest als Brunnenvergifter dar und müssen überall um ihr Leben fürchten. Als die Unruhen auch Straßburg erreichen will Jaelle mit ihrem Vater fliehen. Doch die Flucht misslingt und er wird mit einigen Mitbürgern getötet. Nur Jaelle überlebt und versucht, sich auf seinen Rat hin nach Würzburg durchzuschlagen. Das gelingt ihr allerdings nur, wenn sie in die Rolle des jungen Mannes Johan schlüpft und sich zudem als Christ ausgibt. Der angesehene Würzburger Michael de Leone, auch der Löwe genannt, nimmt sich ihrer an und bringt sie in die Rettung verheißende Stadt. Er bietet ihr einen Job als Schreiber an, als er von ihren Talenten erfährt. Nur zögernd nimmt Jaelle an und bringt sich damit in eine gefährliche Position.
Ja, ja, werden Sie sagen. Starke Frau im Mittelalter, behauptet sich in einer Männerwelt, verliebt sich dummerweise in ihren Chef, heiratet den dann und landet doch hinterm Herd. Da unterschätzen sie Robert Rausch und sein Schreibtalent aber gewaltig! „Die letzte Jüdin von Würzburg“ ist trotz durchsetzungsfähiger Protagonistin ganz anders. Es geht um die Gesamtsituation der Juden in der Stadt, wobei Rausch auch beleuchtet, wie es vor Mitte des 14. Jahrhunderts war. Obwohl ihm das nicht immer glücklich gelingt. Die Geschichte wird häufig durch Lexikon-ähnliche Artikel unterbrochen, die zusätzliches Geschichtswissen vermitteln. Am Ende des Romans besitzt man dann ein sehr umfassendes Wissen zur Thematik. Man spürt auch, dass die Sache dem in Würzburg geborenen Autor sehr am Herzen liegt.
Jaelle befindet sich letztlich in einer spannenden Doppelagentenrolle. Zum Einen willigt sie ein, den Löwen für ihre jüdischen Mitbürger zu überwachen, zum Anderen soll sie ihm Infos zur Stimmung der jüdischen Bevölkerung geben. Das bringt sie mehr als einmal in einen Zwiespalt. Der Roman enthält überdies auch viele Kapitel, in denen sie selbst gar nicht anwesend ist. Hier wird das Machtspiel zwischen den Bischoff, de Leone und anderen Geistlichen oder weltlichen Würdenträgern beschrieben.
Ein toller historischer Roman. Er wirkt gut recherchiert und lässt sich keins der Klischees des Genres aufdrücken. Informativ, aber dennoch spannend.
Roman Rausch: Die letzte Jüdin von Würzburg.
rororo, Mai 2014.
512 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.