Drei Jahre ist es nun her, dass die ehemalige Sklavin Sancia mit ihrer sribierten Platte im Kopf nebst ihren Freunden das große Haus der Candianos und ihrem intelligenten Berg bestohlen und vernichtet haben. Seitdem habe sie ihr eigenes Haus gegründet, die Art und Weise, wie die Geheimnisse der Skriber genutzt und weitergegeben werden revolutioniert und das Leben in Tevanne ein klein wenig sicherer und lebenswerter gemacht. Doch, wehe, wenn es einem zu gut geht und man einmal meint, durchschnaufen zu können.
Aus den von Revolution und Sklavenaufständen heimgesuchten Kolonien kehrt etwas in die Metropole zurück, das seit Jahrtausenden verschollen war. Crasedes Magnus, der erste der Hierophanten, ein Mann, der sich zum unsterblichen Gott aufgeschwungen hat, der die Zeit ebenso zu manipulieren weiß, wie den Raum und Materie ist zurück – und er will sein Lebenswerk vollenden – er will die Schöpfung nach eigenem Gutdünken umgestalten. Was ihm zum Erreichen seines Zieles fehlt – ein Artefakt, das im zerstörten Berg versteckt ist, sowie zwei semi-intelligente Hierophanten-Kreationen – die Göttin Valeria und Clef, den alles öffnenden Schlüssel …
Robert Jackson Bennett hat mit der bei Lübbe erschienen Trilogie um die Göttlichen Städte bereits positiv auf sich aufmerksam gemacht. Das war einmal weit von dem Gewohnten entfernt, das bot eine politisch interessante Kulisse und Figuren, die ein wenig anders waren, als wir solche aus gängigen Fantasy-Epen kennen. Nach dem ersten Roman um die Geheimnisse des Skribirens, um Clef den alles öffnenden intelligenten Schlüssel und die Diebin Sancia mussten sich die Deutschen Leser doch recht lange gedulden, bis die Fortsetzung herauskam. Der abschließende dritte Band ist glücklicherweise für Sommer 2022 in Vorbereitung.
Dies vorweggeschickt zu vorliegendem, umfangreichen Werk. Wir sind dies ja eigentlich gewohnt, dass Mittelbände einer Trilogie weder Fisch noch Fleisch sind. Der Verfasser (m/w/d) hat im Auftaktband den Grundstein gelegt, Figuren und Konflikte eingeführt. Im dritten Teil wartet dann die hoffentlich in sich stimmige Auflösung der Rätsel auf uns. Das heißt aber auch, dass im Mittelband nicht wirklich allzu viel Wichtiges passieren darf, sonst bleibt für das Finale zu wenig übrig.
Anders bei Bennett. Was er in dem fast 600 klein gesetzten Seiten für uns bereit hält, das treibt die Handlung voran, das überrascht und das bannt uns Lesende an die Seiten. Dabei nutzt der Autor die Gunst der Stunde um uns auch ein klein wenig philosophisch zu kommen. Es geht verklausuliert und stimmig in den Plot eingebaut, um Selbstbestimmung, um Gleichberechtigung, um soziale Gerechtigkeit und letztlich um die Krux, dass der Mensch schlecht ist.
Ja, die Aussage des Hierophanten, dass der Mensch seine Macht immer dazu nutzt, sich über seine Mitmenschen zu erheben, diese in Abhängigkeit von ihm zu bringen und auf deren Kosten und Leid zu triumphieren lässt sich nicht wirklich von der Hand weisen. Zu ungerecht geht es zu auf der Welt, zu oft triumphiert der Brutale, der ohne Mitleid Agierende, der Egoist, Gutmenschen werden verhöhnt und allzu oft verachtet. Das ist gerade auch für einen Fantasy-Roman ungewöhnliches Gedankengut, das regt auch zum Nachdenken und Weiterdenken an.
Dazu gesellt sich seine ganz andere Magie. Mittels Gravuren können Dinge, sogar Menschen wie man an Sancia sieht, davon überzeugt werden, etwas Anders zu sein, sich anders zu verhalten, letztlich die Realität zu verändern. Das hat nichts, aber auch gar nichts mehr mit einem Zauberstab oder Hexenkessel zu tun, das ist neu, frisch und damit per se interessant.
Das Tempo des Plots ist gleichbleibend hoch, eine Offenbarung jagt die nächste, Kämpfe, Verrat und Intrigen begleiten unsere Figuren, so dass man die Seiten kaum schnell genug umblättern kann, um nur ja zu erfahren, wie es weiter geht. Verbunden mit der interessanten Magieausgestaltung, der teilweise durchaus tiefgründigen Fragen, die angerissen werden, präsentiert sich dieser Mittelband als faszinierend und temporeich. So liegt die Latte für den abschließenden Teil hoch – warten wir gespannt, ob und wie uns Bennett weiter überraschen wird.
Robert Jackson Bennett: Der Schlüssel der Magie 02: Der Meister.
Aus dem Englischen übersetzt von Ruggero Leò.
Blanvalet, Dezember 2021.
576 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.