Richard Russo: Jenseits der Erwartungen

Drei ältere Herren treffen sich für ein Wochenende an genau dem Ort wieder, an dem sie auch schon vor über 40 Jahren zusammen waren: in einem Häuschen in Chilmark auf Martha‘s Vineyard. Mit einem entscheidenden Unterschied: Damals war auch die freche und lebenslustige Jacy mit von der Partie, in die alle drei Jungs verliebt waren.

Doch seit diesem Wochenende fehlt jede Spur von Jacy. Was ist aus ihr geworden? Ist sie womöglich einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen? Hat der unsympathische Nachbar oder gar einer der Jungs etwas damit zu tun? Könnte es sein, dass sie auf dem Anwesen in Chilmark begraben ist?

​Doch ein Krimi, nach dem sich das anhören mag, ist Richard Russos Roman „Jenseits der Erwartungen“, der aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, nur zu einem kleinen Teil. Der 1949 geborene US-amerikanische Schriftsteller und Pulitzer-Preisträger nimmt sich viel Zeit, seine drei so unterschiedlichen männlichen Hauptfiguren Lincoln, Teddy und Mickey genau zu durchleuchten. In vielen Rückblenden lernen wir die drei Männer mitsamt ihren Familien kennen und erfahren, wie sie zu dem geworden sind, was sie heute sind, welche Geheimnisse und Narben sie mit sich herumtragen – und auch welche Lebenslügen sie sich und anderen vormachen.

​Leser, die auf psychologisch genau ausgearbeitete Figurenporträts stehen, sollten an diesem Roman ihre Freude haben. Die Kehrseite: All das braucht Platz, sodass die eigentliche Handlung bis zur überraschenden Auflösung nur zögerlich von der Stelle kommt. Insgesamt ein überdurchschnittlich guter Roman, wenn auch womöglich nicht der allerstärkste von Richard Russo.

Richard Russo: Jenseits der Erwartungen.
DuMont Buchverlag, Mai 2020.
432 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.

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