komplex – verstörend – provokant
Eine Reihe grausamer Morde beschäftigt Polizeiteams in Hamburg, Berlin, Amsterdam und London. Der Killer wählt seine Opfer zielsicher aus, befördert sie, ermuntert durch diverse Bibelzitate, skrupellos ins Jenseits und lässt dabei die Ermittler ziemlich ratlos im Dunklen tappen.
Durch die Geschichte führen uns Peter Player, genannt Pit, Mediziner und unverbesserlicher Schürzenjäger, der zuerst seltsame Fotos, dann immer gruseligere Botschaften in seiner Post findet und Romy Schulze, eine Psychotherapeutin, deren eigenes Leben zusehends aus den Fugen gerät. Während sie ihre Patienten mit provozierenden Fragen traktiert, kämpft sie gegen die Realitäten des Älterwerdens, die unterkühlte Beziehung zu ihrer Tochter und eine unerfreuliche Schneckenplage in ihrem Gartenrefugium.
Die Schneckenkönigin ist kein temporeicher, doch gleichwohl fesselnder Thriller, der die dunklen Seiten der menschlichen Psyche beleuchtet. Obwohl die Autorin keine der Figuren zu Beginn sonderlich sympathisch zeichnet, sind sie doch alle sehr greifbar, lebendig und ihr Verhalten glaubhaft. Jede von ihnen gewinnt im Verlauf der Geschichte zunehmend an Substanz und lässt uns tief in ihre Seele blicken. Die multiperspektivische Erzählform eröffnet ein facettenreiches Leseerlebnis mit einem durchaus überraschenden Ende, gerät aber durch die Vielfalt der handelnden Personen zeitweise etwas unübersichtlich. Belohnt wird der Leser mit einer angenehmen, ästhetischen Sprache und einer Prise trockenem Humor.
„Im Zeitalter der elektronischen Kommunikation konnte man sich auf überquellende Briefkästen nicht mehr verlassen.“ S. 48
„Ein Fuß. Ein menschlicher Fuß. Ein abgeschnittener menschlicher Fuß in einer Plastiktüte von Lidl.“ S. 162
Dieser Thriller bietet nicht die übliche Art Spannung des Genres, dafür überzeugt er mit Vielschichtigkeit, Tiefgang und einem eigenwilligen Stil, den man an einigen Stellen durchaus als literarisch bezeichnen kann.
Regula Venske: Die Schneckenkönigin.
Gmeiner, April 2025.
279 Seiten, Taschenbuch, 15 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Antje Lehnert.