Rebecca Gablé: Drachenbanner

Es geht zurück nach Waringham. Endlich. Und in diesem Band findet Rebecca Gablé auch wieder den Erzählfluss, den ich bei ihr so liebe. Und trotzdem ist dieser and doch anders als die anderen. Denn diesmal spielt nicht ein Mitglied des Adels die Hauptrolle – auch kein gefallenes – sondern ein Leibeigener. Unfrei geboren, vollkommen abhängig von seinem Lehensherrn, der in diesem Fall ein eher böser Waringham ist, fällt es Bedric von Anfang an schwer, sich mit seinem Schicksal abzufinden. Das Leben hat es ihm auch nicht einfach gemacht. Seine Mutter war die Amme der Adela von Waringham und da die meisten Waringham – außer dem aktuellen – eigentlich gute Herren sind, wächst er in den ersten Jahren auf der Burg beinahe gleichberechtigt mit seiner Ziehschwester auf. Das bedeutet, er kennt die andere Seite und mag sich mit seiner so gar nicht abfinden. Nach dem Tod seines Vaters hatte er die Summe für seine Freilassung schon zusammen, aber sie wird ihm gestohlen. Das ist zu viel, er flieht nach London, um „nah einem Jahr und einem Tag“ frei zu sein. Kein einfaches Vorhaben, aber in diesem Fall erfolgreich. Und dann lernt er Simon de Montfort kennen. Er ist der Schwager des Königs, aber hat für einen Adeligen geradezu unziemliche Gedanken über Gleichberechtigung und Mitsprache. Dass der König eine Fehlentscheidung nach der anderen trifft, schadet seiner Sache nicht gerade.

Bedric schließt sich ihm am, aber Adela und ihn verbindet eine tiefe Liebe, die beide niemals vergessen, denn Adela steckt in einer Ehe, die sagen wir mal „es ist kompliziert“ ist. Da Adela die Hofdame von Simons Ehefrau, der Schwester des Königs ist, laufen die beiden sich auch immer wieder über den den.

Was hat mich besonders beeindruckt? Zunächst einmal, dass Rebecca Gablé immer noch neue Ansätze für das Erzählen von Geschichte findet. Es ist wirklich ein schwerer Akt, einen Leibeigenen in die historischen Ereignisse einzubinden, ohne dabei die historische Einordnung der Figuren zu verbiegen. Ja klar, sie sind immer irgendwie etwas Besonderes und haben auch oft Glück, sonst würde es sich ja nicht lohnen einen Roman über sie zu schreiben. Letztlich glaube ich aber, dass eine Geschichte wie Bedrics möglich ist. Die Grenzen zwischen den Gesellschaftsschichten waren engmaschig, aber nicht völlig dicht. Besonders Kriegsglück, aber auch Handwerkskunst konnte einen dazu bringen, aufzusteigen. Und Bedric als Protagonist passt natürlich hervorragend zu dem, was Simon de Montforts Gedanken und Ziele waren.

Laut gelacht habe ich bei Bedrics Gedanken über die Unterschiede des Essens in der Stadt und auf dem Land. Eigentlich erstaunlich, dass man in der Stadt besser isst, obwohl das Essen doch auf dem Land produziert wird.

Insgesamt ist das wieder ein toller historischer Roman, der übrigens auch einen guten Einstieg in die Geschichten um die Waringhams bieten würde. Jetzt gilt es noch eine winzige Lücke zu schließen, bis wir bei Gervais und damit Robin angekommen sind (ich muss hier echt noch mal nachlesen, ob Robin auch was mit seinem Daumen hatte). Ich habe allerdings schon im Internet gelesen: Zumindest nicht mit dem nächsten Roman, da geht es wieder ein ganzes Stück zurück in der Geschichte.

Rebecca Gablé: Drachenbanner.
Bastei Lübbe, September 2022.
928 Seiten, Gebundene Ausgabe, 29,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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