Die junge Ärztin Vera T. übernimmt die verwaiste Hausarztpraxis in Wolfach. Es gefällt ihr dort auf Anhieb. Sie ist der Überzeugung, „Hier will ich nie mehr weg.“ (S. 7) Die Leute in Wolfach sind nett und froh darüber, so eine engagierte, tüchtige Ärztin bekommen zu haben. Vera geht mit ganzem Herzen auf ihre Patienten ein, hört zu, arbeitet unermüdlich in der Praxis, macht Hausbesuche. Alles läuft gut.
Da hört man aus der Ferne von einer Seuche, einer Pandemie, von Covid-19. Es dauert nicht lange und sie packt die ersten Patienten. Wie im Fieber betreut Vera Tag und Nacht die Todkranken und lässt sich auch dazu überreden, als Impfärztin durch das Land zu reisen, als es endlich eine Impfung gibt. Sie erfährt am eigenen Leib, wie die Krankheit sich anfühlt, weil sie sich ansteckt und erst durch die Pflege ihres Freundes und eine Auszeit auf einer Alm wieder gesund wird. Danach setzt sie sich umso vehementer für die Impfung ein, die bei vielen auf Ablehnung stößt. Vera aber will die Erstickenden retten, indem sie sich bedingungslos für die Impfung gegen Covid ausspricht.
Ihr Gesicht taucht im Fernsehen auf und in der Zeitung. Jemand wirft daraufhin mit einem Pflasterstein die Tür zu ihrer Praxis ein und immer mehr Droh-Mails und Beschimpfungen trudeln auf ihrem Computer ein. Das belastet sie enorm. Die Ereignisse verfolgen sie bis in den Schlaf, sofern sie welchen findet und sie greift immer öfter zu Medikamenten, um den Hass, der ihr virtuell entgegenschlägt, zu ertragen. Die Polizei schaut zu, die Ärztekammer unterstützt sie in keinster Weise, ihr Freund lebt nicht bei ihr und kann nur aus der Ferne agieren. Da kommt es zur Katastrophe.
Dieses Buch erinnert mich frappierend an die wahre Geschichte der oberösterreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr. Auch sie hat sich bis zur Erschöpfung für Covid-Patienten eingesetzt, wurde schlimmstens angefeindet und hat sich schließlich das Leben genommen. Fazit: Ein erschütterndes Buch.
Peter Weibel: Kaltfront.
Edition Bücherlese, Oktober 2024.
100 Seiten, Hardcover, 22,62 €.
Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.