Willkommen in einer Welt, die unter einer Plage zu leiden hat. Nein, ich meine jetzt weder Ratten noch Kakerlaken; – die Häuser von Arm und Reich, Ställe wie Schlösser und Burgen werden von putzigen, neugierigen und aufdringlichen Drachen im Miniformat – zumindest so lange, wie sie in ihrer Wachstumsphase sind – heimgesucht.
Vorhang auf für das etwas reinigungsbedürftige Schloss des Königreichs Bellemontagne, Heimat der Kronprinzessin Cerise. Bislang hat sie blaublütige Bewerber um ihre Hand im Dutzend billiger abgelehnt, dann trifft sie, als sie sich an einem See selbst Lesen und Schreiben beibringen will, auf Reginald, gut aussehender, geistig nicht allzu hoch fliegender Kronprinz eines der Nachbarreiche auf der Väterlichen Queste eine Heldentat zu vollbringen.
Auftritt dann für Gaius Aurelius Konstantin Heliogabalus Thrax alias Robert, lizensierter Drachenjäger und – töter (so es denn unbedingt sein muss – also eher so selten wie möglich).
Robert hat einen Traum – er will nicht länger Jäger der Lindwürmer sein, er möchte als Kammerdiener einem Helden zur Seite stehen.
Es kommt, wie es kommen muss – Reginald und sein Aufpasser nehmen ihn in ihre Dienste, schließlich kennt keiner die Lindwürmer so gut, wie Robert. Die Tötung eines großen Drachen wird die überaus lästige Aufgabe seines Vaters endlich erfolgreich beenden – hofft er zumindest. Nichts hatte sich Robert sehnlicher gewünscht, als Diener eines Prinzen zu werden, doch wehe, wenn Träume wahr werden, kann ich da nur mitleidig mit Robert sagen – schließlich gibt es da ja auch noch eine bezaubernde Prinzessin, einen machtgierigen Zauberer und den König der Drachen …
Peter S. Beagle – dem Einen oder Anderen vielleicht von seinem zurecht hochgelobten „Das letzte Einhorn“ ein Begriff, hat sich im Alter wieder einmal gemeldet.
Es gilt einen neuen Roman zu bestaunen, einen, das muss ich jetzt einmal ganz deutlich sagen, wohltuend kurzen Roman, der uns, um auch dies vorwegzunehmen, wunderbar intelligent und spritzig unterhält.
Nun ist das mit Beagle so eine Sache; – die einen mögen, ja vergöttern seine Schreibe, andere haben mit der Art und Weise, wie er seine Wörter zu Papier bringt, so ihre Probleme.
Auch vorliegend wählt er, von Oliver Plaschka wunderbar ins Deutsche übertragen, eine ganz besondere Herangehensweise. Er nutzt seinen allwissenden Erzähler dazu, uns pointiert und mit viel Humor seine Figuren in all ihren Eigenheiten, Fehlern, aber natürlich auch Stärken vorzustellen.
Das bietet viel, nun nennen wir sie besondere Einsichten in das, was bei anderen Verfassern als Heldenmaterial durchgeht, macht uns die Gestalten aber auch greifbar und interessant. Das sind Figuren, in deren Charaktereigenschaften wir unschwer Bekannte von uns wiedererkennen können.
Dazu gesellt sich eine Queste, die die „Vorbilder“ gekonnt auf die Schippe nimmt, augenzwinkernd Stereotype durch den Kakao zieht und dabei auch noch abwechslungsreich unterhält. Das ist zudem wunderbar scharf gezeichnet, ohne dabei verletzend zu sein, wartet mit jeder Menge Humor und Situationskomik auf und liest sich einfach nur gut. Lesen bleibt mir da nur als Fazit – ich wette, dass sie es nicht bereuen werden!
Peter S. Beagle: Ich fürchte, Ihr habt Drachen
aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Oliver Plaschka
Klett-Cotta Verlag, September 2024
304 Seiten, gebundene Ausgabe, Euro 24,00
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.