Thaïs hat mit zwölf Jahren ihre Mutter verloren und seitdem bei ihrer Großmutter Victoria im Zirkus gelebt. Ihre Erinnerung an die Zeit sind nicht immer glücklich, konnte ihre Großmutter doch beispielsweise nicht verstehen, warum es schöner sein sollte, ein Fahrrad statt eines Pferdes zu besitzen. Deshalb kehrte Thaïs dem Zirkus mit ihrer Volljährigkeit den Rücken zu. Jetzt mit Mitte zwanzig wird sie gezwungen, zurückzukehren und sich ihrer eigenen Vergangenheit zu stellen, als ihre Großmutter verstirbt und ihr ein Häuschen und ein Bild hinterlässt. Das kleine Foto zeigt Thaïs‘ Vater! Den Vater, dessen Name sie nicht einmal kannte.
„Der Zirkus der Stille“ ist ein wahrhaft stiller Roman mit ernsten, aber auch skurril-komischen Tönen. Vor allem Thaïs‘ Erzählungen von ihrer „glücklichen“ Kindheit ringen einem dabei ein Lächeln ab. Darüber hinaus dreht sich die Geschichte um eine junge Erwachsene, die sich mit ihrer eigenen Identität auseinandersetzt und die eigene Vergangenheit reflektiert. Thaïs tut dies nachvollziehbar und interessant, gerne möchte man auch wissen, wer genau nun ihr Vater ist und was das für die junge Frau bedeutet. Vor dem Tod der Großmutter hatte Thaïs sich ein wohlsortiertes Leben aufgebaut. Der Roman spielt 1978 und Thaïs arbeitet in Paris in einem Brautmodengeschäft, hat einen netten Freund an ihrer Seite und ist endlich zufrieden. Als die Großmutter ihr das seltsame, auf ihrer eigenen Haut verfasste Testament hinterlässt, gerät das bürgerlich-brave Leben ins Wanken und Thaïs entscheidet sich bewusst dazu, dieses zu verlassen.
Immer wieder kommt man bei Goldammers oft sehr bildhafter Sprache ins Nachdenken und das ein oder andere Zitat bleibt im Kopf. „Der Zirkus der Stille“ ist durchaus ein Roman, der trotz seiner Kürze in Erinnerung bleibt und eine Zeit lang nachwirkt. Da macht das Lesen Spaß!
Peter Goldammer: Der Zirkus der Stille.
Atlantik, April 2016.
256 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.