Eigentlich ist Lida mit 17 Jahren noch zu jung, um am Blind Walk teilzunehmen. Doch es gelingt ihr, ihren bereits volljährigen Freund Jasper zu überreden, sie mitzunehmen. Und so finden sich die beiden inmitten einer unbekannten Wildnis wieder, zusammen mit ein paar anderen, fremden Personen. Im Gepäck haben sie nur wenige Dinge, die zum Überleben wichtig werden könnten, beispielsweise ein Handy, dessen Akku und Guthaben so gut wie leer ist. Niemand weiß genau, wo sie sich nach der stundenlangen Autofahrt mit verbundenen Augen befinden. Ziel ist es, die Zivilisation wiederzufinden. Doch gleich zu Beginn wird klar: Es gibt reichlich Spannung in der Gruppe. Als die jungen Menschen dann auch noch glauben, von einem Killer verfolgt zu werden, wird die Reise ins Unbekannte ereignisreich.
Vom ersten Moment an ist man bei diesem Roman irgendwie „dabei“. Kaum sind die Teilnehmer des Blind Walk an ihrem Ausgangspunkt angekommen, beginnen sie sofort zu streiten, um das weitere Vorgehen, das Abendessen und ihr Verhalten im Allgemeinen. Lida ist das durchaus unangenehm und als dann auch noch eine Teilnehmerin verschwindet und sie sich selbst verfolgt glaubt, zweifelt sie endgültig an ihrem Entschluss, am Blind Walk teilzunehmen.
Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Beziehung zwischen Lida und ihrem Freund Jesper. Die zwei sind seit einem halben Jahr zusammen, doch Lidas Eltern wissen von der Beziehung nichts. Naja, welche Beziehung eigentlich? Lida reflektiert ihr Zusammensein mit Jesper während des Blind Walks sehr intensiv, denn sie spürt, dass er ein besonderes Verhältnis zur Teilnehmerin Natascha hat. Die macht ihm offen Avancen und er scheint sogar darauf einzusteigen. Von trauter Zweisamkeit im kuscheligen Zelt kann also keine Rede sein.
Ganz ohne Fantasy-Elemente kommt „Blind Walk“ dann doch nicht aus. Gleich zu Anfang des Romans wird man mit einer völlig aus dem Zusammenhang geworfenen Szene neugierig gemacht und lernt wenig später Sten kennen, einen Jungen, der für den weiteren Verlauf des Blind Walk eine große Bedeutung hat, ohne selbst an ihm teilzunehmen. Sein Auftreten ist im ersten Moment verwirrend, fügt sich aber immer mehr in das gut durchdachte Gesamtbild ein. Leserinnen und Leser sollten übersinnliche Phänomene allerdings nicht scheuen, denn die gibt es in „Blind Walk“ eindeutig!
Insgesamt sind die Figuren knapp ausgearbeitet. Selbst von Protagonistin Lida erfährt man nicht allzu viel. Ihre Vergangenheit bleibt im Schatten und ist für den Blind Walk auch nicht wichtig. Das macht einer der männlichen Teilnehmer sehr gut deutlich. Dreimal stellt er sich seinen Mitstreitern jeweils unter anderem Namen und anderer Biografie vor. Welche ist nun richtig? Keiner kann einschätzen, was Lüge, was Wahrheit ist. Es geht beim Blind Walk auch um eine Art blindes Vertrauen auf die anderen. Denn nur gemeinsam – das merken alle schnell – haben sie eine Chance.
Alles in allem ist „Blind Walk“ ein gelungener Thriller für Jugendliche ab etwa 14 Jahren, die auch übersinnliche Elemente nicht scheuen. Patricia Schröder hat einen Roman geschaffen, der durchweg viel Spannung und interessante Szenen bringt!
Patricia Schröder: Blind Walk.
Coppenrath, Juni 2014.
448 Seiten, Gebundene Ausgabe, 17,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.
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