Bridget ist katholisch und lebt in Nordirland. Seit ihrer Kindheit kennt sie nichts anderes als Kämpfe zwischen Protestanten und Katholiken, aber auch Brutalität von Seiten der britischen Soldaten oder Polizisten. Sie erfährt Armut, Kälte und ständig Ungerechtigkeit, die ihr ein normales Leben mit Ausbildung, gut bezahlter Arbeit und einem angstfreien Alltag unmöglich machen. Nach der Schule wollte sie studieren. Doch ihre Mutter bat sie, noch eine Weile damit zu warten. Und während sie auf den geeigneten Moment wartet, begegnet sie Francis, einem erfahrenen Freiheitskämpfer, der für ein vereintes Irland Menschen tötet. In sein verwegenes Lächeln verliebt sie sich. Nach ihrer Heirat bleibt ihre einzige Fortbildung das Rauf- und Runterlesen der mobilen Bücherei. Häufig verschwindet Francis ohne eine Erklärung. In den Zeitungen liest Bridget von diversen Angriffen im Süden oder in England, die wiederum Angriffe in Nordirland nach sich ziehen.
Bridget kennt ihr ganzes Leben lang nur die Eskalation von Gewalt. Sie hat Angst um Francis, und sie hat Angst um sich. Ständig sucht sie einen Ausweg, der unverhofft über Sarah, einer britischen Geheimagentin, angeboten wird.
Nicholas Searle, aufgewachsen in Cornwall, befasste sich im öffentlichen Dienst mit Sicherheitsfragen. Nach seinem Abschied begann er mit seiner schriftstellerischen Karriere. In seinem Roman Verrat beschreibt er aus der Sicht vieler Beteiligter die unterschiedlichen Fronten tödlicher Auseinandersetzungen. Wenn zum Beispiel ein Nordire mit den falschen Leuten sprach, lief er Gefahr, als Verräter getötet zu werden. Und wer sich in seinem Umfeld keine Feinde machen wollte, starb möglicherweise bei einem erzwungenen Einsatz. Wer von den Gegnern geschnappt wurde, musste mit besonderer Brutalität und Haft rechnen.
Um die politischen Hintergründe besser zu verstehen, hat der Verlag freundlicherweise ein erklärendes Nachwort dem Roman angefügt. Wer mit den geschichtlichen Details nicht so vertraut ist, könnte vor der Lektüre zuerst das Nachwort lesen, um besser die politischen Ränke und Bridgets Angst nachzuvollziehen. Denn welche Frau würde freiwillig mit einem allgemein gefürchteten Mörder zusammen leben wollen? Welche Frau könnte mit der erzwungenen Unwissenheit leben? Schließlich ist jedes Wort von Francis mit tödlichen Gefahren verbunden. Die Angst vor Verrat ist die Währung im täglichen Freiheitskampf. Und wer Angst hat, macht leicht Fehler. Bridgets unfreiwillige Rolle im politischen Ränkespiel zeigt, wie vielschichtig und tief Grabenkämpfe in die eigene kleine Existenz eindringen.
Nicholas Searle: Verrat.
Kindler, März2018.
352 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.