Murmel Clausen: Leming

Kolja ist 14 und in einem Internetforum für Jugendliche, die ihr Leben beenden möchten. Das ist nicht legal, natürlich nicht, deswegen läuft das Forum auch über einen Server irgendwo auf einer Insel, wo niemand sich für Internetsicherheit interessiert. Umbringen möchte Kolja sich nicht, aber er hilft anderen, sich möglichst eben nicht umzubringen. Warum er das macht, weiß er selbst nicht so genau, aber es ist ihm wichtig. Mit der Zeit freundet er sich mit zwei Mitgliedern an: Verena, die 16

ist und dem Administrator Reinhold, der bereits volljährig ist. Gemeinsam beschließen sie eine Suicid-Tour, gemeinsam möchten sie aus dem Leben scheiden. Reinhold unbedingt in seinem lila Audi, der sein ganzer Stolz ist, Verena möchte in Ungarn, beim Haus ihres Großvaters in einen Vulkan springen und Kolja möchte eigentlich, dass sie alle weiterleben.

Murmel Clausen erzählt die Geschichte aus Koljas Perspektive in einem schnoddrigen Tonfall, der trotz des Themas einfach nur Spaß macht. Ich bin nicht sicher, ob sich Jugendliche heute noch genauso ausdrücken, der Autor ist sechs Jahre jünger als ich und ich habe mich jedenfalls wiedergefunden. Der Trip verläuft von Anfang an nicht so, wie Kolja ihn sich vorgestellt hat. Verena lebt nicht wie angegeben in Mannheim, sondern aus Gründen in einem Heim in Hessen und scheint auch per Handy nicht erreichbar zu sein. Aber sie soll unbedingt mit. Als sie in Ungarn ankommen, müssen sie das Haus erst mal gründlich aufräumen und dann müssen sie sich noch über die Art des Selbstmords einigen. Über all dem schwebt immer Kolja, der die beiden anderen ja davon abhalten will.

Zunächst einmal machen die drei aber das, was man als Jugendlicher so macht, wenn man endlich unterwegs ist: Freunde kennenlernen und Party. Wir begleiten Kolja durch seinen ersten Alkoholexzess, seine peinlichen Flirtversuche und seinen ersten Besichtigungstrip zum Vulkan, der ihn magisch anzuziehen scheint.

Murmel Clausen hat am „Schuh des Manitu“ mitgeschrieben und einiges zu den Programmen bekannter Comedians beigetragen. Trotz des Themas ist der Roman wirklich witzig und dabei doch tiefgründig. Kolja erfährt viel über die verkorksten Kindheiten seiner beiden Begleiter, neben dem ihm seine eigene wie ein Sechser im Lotto vorkommt. Wortwitz bestimmt „Leming“, ohne dabei das schwierige Thema aus den Augen zu verlieren oder in Klamauk auszuarten. Murmel Clausen kann die Leichtigkeit auch noch halten, als der Tod den dreien wieder sehr nahekommt.

Es ist ein Jugendbuch, allerdings eines mit einem schweren Thema, dem die Telefonnummern der deutschen und internationalen Telefonseelsorge nicht zufällig oder aus Pflichtbewusstsein vorangestellt sind. Dem Autor liegt das Thema am Herzen, er selber schreibt es am Ende des Buches und man merkt es durch das ganze Buch hindurch.

Murmel Clausen: Leming.
Voland & Quist, März 2024.
204 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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