„Wer nichts von der Welt erwartet – nicht das Licht der Sonne, nicht das Nass des Wassers und nicht die Luft zum Atmen -, für den ist alles ein Wunder und jeder Augenblick ein Geschenk.“ (S. 256)
Eigentlich war das Abenteuer abgeschlossen – die holde Maid gerettet, der böse Usurpator entlarvt, die Helden – zumeist – noch am Leben. Eigentlich, was für ein nettes, unschuldiges Wort. Doch dann sieht sich die Welt dem Untergang gegenüber. Die Elben haben die Grenzen zum Reich der Menschen überschritten und erobern, scheinbar mühelos und ohne eigene Verluste, die Königreiche Elans. Niemand ist mehr da, der sie aufhalten könnte, nur ein lang verschollenes Artefakt könnte den Untergang noch aufhalten. Doch das Horn von Gylindora soll sich im Grab des ersten Herrschers in der verschollenen Stadt Percepliquis befinden – einem Ort, der vor tausend Jahren mittels Magie von der Erdoberfläche verschwand und seitdem nurmehr eine Sage ist.
Arista, Hardian und Royce machen sich, begleitet von einigen Helfern auf, das Unmögliche zu wagen und die Stadt zu suchen – auch wenn sie ihr Weg tief unter die Erde führt …
Der Abschluss des Riyria-Zyklusses liegt hinter mir. Lassen wir die sechs Romane noch einmal kurz Revue passieren. Michael J. Sullivan hält sich zunächst fast akribisch an das Rezept, wie man einen Fantasy-Bestseller schreibt. Zwei charakterlich unterschiedliche, mit den geschmiedeten Stahl versierte und auch ein wenig anrüchige aber herzensgute Diebe stehen im Mittelpunkt der Handlung. Dazu kommen dann ein uralter Magier, eine junge Adelige, mit magischen Talenten, Verräter und Prophezeiungen – das grosse Abenteuer kann beginnen.
Mit viel Tempo, jeder Menge Wendungen und packenden Kämpfen in unterschiedlichsten Landschaften lernen wir die Welt, ihre Historie und die wichtigen Personen – gut wie böse – kennen. Das Ganze wurde durchaus mitreißend, wenn auch in den verwandten Motiven recht bekannt ausgeführt und bot klassische Mantel- und Degen-Fantasy. In vorliegendem Band wird die Handlung, der der Autor noch weitere Zyklen mit der Vorgeschichte hat nachfolgen lassen, zu einem in sich befriedigenden Abschluss gebracht.
Die Rätsel und Verwicklungen werden aufgelöst, die entscheidende letzte Schlacht geschlagen, der Held bekommt sein Mädchen, der Leser ist es zufrieden. Dabei beginnt der Roman ungewohnt zögerlich, dauert es etwas, bis wir uns in der Handlung wieder eingelesen haben, sich der roten Faden und der Handlungsbogen deutlich abzeichnet und der Plot in Gang kommt. Dann aber überstürzen sich die Ereignisse und macht Sullivan Nägel mit Köpfen. Das ist inhaltlich alles sicherlich nicht neu oder sonderlich innovativ, doch angenehm und spannend zu lesen allemal.
Es bleibt abzuwarten, ob der Verlag auch die früheren Abenteuer Royce und Hadrians sowie die Vorgeschichte des ersten Reiches auflegen wird – Material wäre vorhanden, die Verkaufszahlen scheinen auch nicht schlecht zu sein, so dass es vielleicht ein Wiedersehen mit den beiden Gaunern gibt.
Michael J. Sullivan: Riyria 06: Die verborgene Stadt Percepliquis.
Klett-Cotta, Oktober 2016.
637 Seiten, Taschenbuch, 18,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.