Melanie Fischer: Die Werbefrauen: Wir schaffen eine neue Welt

Ein Roman, der sehr anschaulich das Leben zweier junger Frauen in der DDR beschreibt, die einen Traum haben, den sie dort so nicht verwirklichen können und die Vieles auf sich nehmen, um ihr Leben so leben zu können, wie sie es möchten.

Margot und Lotte kennen sich seit Kindertagen.  Sie verbringen jede freie Minute miteinander und träumen davon, einmal in der Werbung erfolgreich zu sein, sich einen Namen zu machen. Margot hat eine Begabung fürs Texten, Lotte mehr für die Präsentation, sie möchte ein bekanntes Mannequin werden. Nach ihrem Schulabschluss beginnt Margot eine Lehre bei der Deutschen Werbe- und Anzeigengesellschaft, DEWAG, muss aber erkennen, dass sie als Frau kaum die Chance hat, ihre Fähigkeiten einzusetzen. Sie wird zur Schreibkraft ausgebildet. Einzig Tim, ein junger Texter in der Agentur erkennt ihr Potenzial und nutzt ihre Begeisterung schamlos aus, um seine Texte aufzuwerten. Dass Margot einen großen Anteil an seinem Erfolg hat, behält er allerdings für sich.

Margot muss erleben, dass sein Interesse an ihr rein beruflich ist und er sich nie wirklich für sie als Frau interessiert hat. Sie bleibt zurück mit einer unglücklichen Liebe und einem unehelichen Kind, muss die Hänseleien und Boshaftigkeiten der anderen, sogar der eigenen Familie ertragen und zusehen, wie sie mit ihrem Leben zurechtkommt. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen. Auch nicht, als ihre beste Freundin Lotte, die, mangels anderer Alternativen, im Konsum arbeitet, die Chance hat, als Modell zunächst für die DDR-Frauenzeitschrift „Sybille“ zu arbeiten und später sogar, mithilfe eines Modells aus dem Westen, mit dem sie sich angefreundet hat, aus Ostberlin zu fliehen und im Westen ein neues Leben und eine erfolgreiche Karriere zu starten. Margot gönnt der Freundin ihre Chance, fühlt sich selbst aber täglich mehr und mehr eingeengt und bevormundet. Ein kleiner Kreis aus jungen Frauen, die, wie Margot, einfach froh sind, mal über ihre Probleme und Sorgen reden zu können und mal eine Stunde oder zwei ihrem Alltag entfliehen zu können, wird für Margot ein Lichtblick, auf den sie sich jede Woche freut.

Bis die Stasi diesen Kreis auflöst und den Frauen deutlich zu verstehen gibt, dass man sie im Auge habe. Margot ist danach umso überraschter, als ihrem vor Kurzem gestellten Ausreiseantrag stattgegeben wird und sie mit ihrer kleinen Tochter in den Westen gehen kann. Sie kommt bei Lotte und ihrem Partner unter und kann sogar in der Werbeagentur mitarbeiten, die Lotte unter Vertrag hat. Sehr schnell wird dort Margots Talent erkannt und anerkannt, doch nach außen sind es noch immer die Männer, die die Erfolge für sich verbuchen. Doch Lotte und Margot gelingt, wovon sie nur zu träumen gewagt hatten: sie werden Chefinnen ihrer Agentur.

Ein wirklich plastisch erzählter, einfühlsamer Roman über die Entwicklung der Werbewirtschaft in Ost- und Westdeutschland, die Widerstände, die Frauen zu überwinden hatten, wenn sie Anerkennung suchten oder auch nur die Möglichkeit, ihren Fähigkeiten gemäß arbeiten zu können. Ein sehr guter Einblick in die Lebensumstände der 1950-er, 60-er und 70-er Jahre, anhand der Schicksale und Freundschaft zweier junger Frauen, die zunächst in der DDR aufwachsen, später ihren Weg aber im Westen gehen.

Melanie Fischer: Die Werbefrauen: Wir schaffen eine neue Welt
Aufbau-Verlage, Juni 2025
371 Seiten, 15,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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