Schönes Buch. Viel Kindheitserinnerung aus einer Zeit in der ich auch groß geworden bin. Nun war mein Vater nicht Kanzler, aber eben Vater. Und wie Väter dieser Generation, in vielerlei Hinsicht psychisch labil, angegriffen. Geprägt von den Wirren der Zeit, vor, während und nach dem tausendjährigem Reich. Manchmal sprachlos, unnahbar fern. Nicht unbedingt wegen fehlender Liebe, eher wegen aufgebrauchter Empathie. Immerhin brachte es Willy doch noch zum wichtigsten Politiker dieser Zeit, eben zum Bundeskanzler. Das ist für eine Kindheit nicht unbedingt schön. Aber Matthias, der einzige Sohn von Willy und Rut Brandt, macht tatsächlich das Beste daraus. Er benennt die gleichen Startschwierigkeiten ins Leben, ob es um die Schule ging, um den Sportverein oder ganz einfach die Suche nach Vertrauen und Freunde.
Mit einem großen Lächeln liest man die Geschichten, mit viel Verständnis und viel Freude für das Detail. Seine Begegnungen mit Staatsoberhäuptern oder die mit Herbert Wehner, bei einem Fahrradausflug. Der kleine Matthias mit seinem Bonanzarad sollte voran fahren und die Herren Genossen der Weltpolitik, die sich grad mal wieder nicht so gut verstanden, in einer Art heiterem Ausflug wieder friedlich stimmen. Die Sache ing voll in die Hose, weil Willy einfach nicht Rad fahren konnte und nach einem tölpelhaften Sturz entnervt nach Hause ging. Einen missmutigen Herbert Wehner hinter sich lassen und den schweigsamen Beobachter Matthias. Alles teilnahmslos registriert von den ständigen Leibwächtern, die mehr oder weniger fern immer zum Alltag gehörten! Ja, ein exzellenter Beobachter, der Matthias Brandt. Ein sehr schönes Buch und sehr empfehlenswert.
Matthias Brandt: Raumpatrouille.
Kiepenheuer & Witsch, September 2016.
176 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.