Ein anonymer Brief erklärt der 26-jährigen Violet, wer ihre Mutter war. Einen Tag nach Violets Geburt soll Megan ins Meer gegangen sein. Nur ihre Handtasche und den Hut fand man am Strand von Poltown. Nun begibt sich Violet auf die Suche nach ihrer Mutter und Zeitzeugen. Es muss doch einen Grund geben, wenn eine Mutter mit einem angeblichen Freitod ihr Neugeborenes verlässt.
In der überschaubaren schottischen Gemeinde Poltown fällt sie als Fremde sofort auf. Dort ist gerade ein Streit zwischen den Bewohnern entbrannt, ob in ihrer unberührten Natur ein Windpark errichtet werden soll. Neue und alte Interessenkonflikte, Erpressung und Gewalt teilen die Bewohner in zwei Lager. Violets Fragen und die Hilfe eines weiteren Fremden, Cal McGill, bringen das fragile Machtgefüge innerhalb des Ortes aus dem Gleichgewicht. Selbstverständlich wird ihre hartnäckige Recherche als Einmischung verstanden, die nur eine Antwort zulässt.
Der Schotte Mark Douglas-Home hat mit dem Ozeanographen Cal McGill einen ungewöhnlichen Ermittler gefunden, der mit seinem speziellen Wissen über Meeresströmungen nicht nur Umweltsünder sondern auch Wasserleichen finden kann. Dass an dem Tod von Violets Mutter einiges nicht stimmt, belegen unter anderem auch seine Untersuchungen im Meer. Diese Form der Ermittlung vor dem Hintergrund einer schottischen Gemeinde hat Mark Douglas-Home in einen vielschichtigen Kriminalroman verpackt, in dem alle Charaktere etwas Geheimnisvolles an sich haben. Nach und nach werden die Motive der Protagonisten offengelegt. Daraus entwickelt sich eine spannende Dynamik. Denn jeder kämpft auf seine ganz spezielle Weise für seine Interessen und beeinflusst mitunter skrupellos das Leben anderer. Dass ein paar dieser Protagonisten nicht gerade zimperlich mit Kontrahenten umgehen, betont den mafiösen Charakter einer eingeschworenen Gemeinschaft, die finanziell von Machtbesessenen abhängig ist. Wenn plötzlich Außenstehende die falschen Fragen stellen, wie am Beispiel der Suche nach einer verschwundenen, vermutlich toten Frau, droht eine langgehegte Vertuschung auseinanderzubrechen. Statt Blut und Gewalt bleibt das Katz-und-Maus-Spiel der Protagonisten im Vordergrund. Mark Douglas-Home konzentriert den Spannungsaufbau auf die suchende Tochter. Dies macht Violets Geschichte angenehmen unterhaltsam und rund.
In dem zweiten Kriminalroman der Serie Sea Detective trifft Cal McGill eine Entscheidung. Die Anfragen verzweifelter Eltern, die ihre Kinder ans Meer verloren haben, müssen in irgendeiner Weise beantwortet werden. Soll Cal die schwierigen Aufträge übernehmen? Im Falle eines Erfolges würde er den Trauernden schwer verunstaltete Wasserleichen präsentieren, die mit der Erinnerung nichts mehr gemeinsam hat.
Mark Douglas-Home: Sea Detective 02: Der Sog der Tiefe.
rororo, Oktober 2017.
416 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.