Marion Poschmann: Die Kieferninseln

Gilberts Start ins Berufsleben beginnt hoffnungsvoll. Doch die Karriere bleibt aus. Denn er schweigt, wenn er prahlen sollte oder kritisiert in den falschen Situationen. Nachdem er auf einem akademischen Abstellgleis gelandet ist, wird er Zeuge am beruflichen und monetären Erfolg seiner Frau. Eines Nachts steht auch noch der Traum von ihrer Untreue zwischen ihnen, der sich am Morgen zu einer Gewissheit manifestiert. Die unvermeidbare Auseinandersetzung mündet in ein Zerwürfnis.

Gilbert ergreift die Flucht und nimmt den ersten Flug nach Tokyo. Dort nähert er sich dem Fremden an, in dem er japanische Klassiker kauft und die Umgebung fußläufig erkundet. Dabei fällt ihm der Student Yosa auf, der seinem Leben ein Ende setzen will. Spontan nimmt Gilbert ihn in seine Obhut. Als er kurz darauf das Handbuch für Selbstmörder, den japanischen Klassiker für Lebensmüde, in Yosas Sporttasche entdeckt, beschließt Gilbert, den jungen Mann mit einer neuen Aufgabe von seinem Vorhaben abzulenken. Er soll ihn zu den Kieferinseln begleiten, dem klassischen Ort für Schönheit, Weisheit und hohes Alter. Auf dem Weg dorthin führt Yosa ihn auch zu Orten, die bei Selbstmördern beliebt sind. Die erfolgreiche Fahrt zu den berühmten Kiefern ist nun abhängig von Gilberts Einfallsreichtum.

Die Wahlberlinerin Marion Poschmann erhielt für ihre Prosa und Lyrik vielfach Auszeichnungen. Wer in der Lyrik zu Hause ist, schreibt Romane mit einer anderen Ästhetik. Im Vordergrund steht bei ihr nicht so sehr eine Logik, sondern sie konzentriert sich auf innere Prozesse, Träume, Wünsche und Erinnerungen, durch die der Protagonist Erkenntnisse gewinnt. Wie geht jemand mit dem eigenen Versagen um; welchen Weg wählt er? Ein Weg führt in den von Selbstmördern bevorzugten Wald. Durchschnittspersonen wie Gilbert können den höheren Sinn eines Freitodes nicht erkennen, »… der darin lag, sein Auto irgendwo wild zu entsorgen und den eigenen Leib hinterherzuschicken, die Welt also schlicht als Müllschlucker zu behandeln, den man sein Leben lang geistig und körperlich produzierte.« (S. 57)

Die Autorin schenkt dem Leser Einblicke in die japanische Seele und Landschaft, die in Szenen so bildhaft werden, dass man sie so schnell nicht vergisst.

Marion Poschmann: Die Kieferninseln.
Suhrkamp Verlag, November 2018.
164 Seiten, Taschenbuch, 10,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.