Lutz Wilhelm Kellerhoff: Die Tote im Wannsee

Ein Schwarz-Weiß-Film als Buch. Die drei Autoren, die Herren Lutz, Kellerhoff und Wilhelm, machen ein Jahrzehnt wieder lebendig, in dem sie die Bilder, die man irgendwo gespeichert hat, durch ihre Beschreibungen der Szenerien des Berlins Ende der sechziger Jahre, sofort wieder vor Augen hat. Die Demonstrationen in Berlin, bis dahin in Deutschland nie für möglich gehalten, mit für die Beteiligten überraschender Gewalt und Hilflosigkeit auf allen Seiten. Rennende Schupos mit Tschakos auf den Köpfen, Demonstrationsketten mit entsprechen Schlachtrufen, Wasserwerfer, brennende Barrikaden, alles da.

Dazu die Namen von damals: Mahler, Meins, Dutschke, Kommune 1, die späteren RAF Namen, und zur Folklore die jungen Liedermacher Wader und Mey. Man wähnt sich im Bonner Haus der Geschichte oder in der RAF Ausstellung, die ich in Berlin (!) vor Jahren besucht habe. Dazu durchzieht das ganze Buch die unsägliche, so genannte Entnazifizierung, die, gelinde gesagt, in Deutschland als geradezu lächerlich durchzogen wurde. SS Kommandanten, Nazi Scharfrichter, KZ Aufseher, etc…viele von diesen Verbrechern reihten sich stickum wieder in die deutsche Beamtenhierarchie ein, und taten so, als sei nix gewesen. Und dann haben wir noch die Mauer und den Arbeiter – und Bauernstaat und ein Berlin, dessen Grenze in alle Richtungen der Osten war.

Und wieder diese schwarz-weiß Bilder mit Vopos und Grenzsoldaten mit Ferngläsern und Kalaschnikows, hinter den Todesstreifen und Stacheldrähten. Über allem lastet immer noch schwer der Dunst und Qualm von hunderttausenden Kohleöfen und ungefilterten Abgasen aus den Schloten des auch in West-Berlin langsam ankommenden Wirtschaftswunders. Das alles ist eine Art Geschichtsunterricht, aber auch der Rahmen für einen Mord, eben die Tote aus dem Wannsee. Der aufrechte, unbestechliche Kommissar Heller, windet sich auf seiner Mordaufklärungstour mit seinem undichten Karman Ghia durch das wuselige, triste nie schlafende West-Berlin und trifft nach und nach auf eine Ladung menschlichen Unrats – im eigenen Präsidium und in einer von Spionage durchlöcherten Stadt. Manchmal alles ein bisschen zu schwarz weiß, aber insgesamt eine interessante Story mit, wie gesagt, filmreifen Szenen.

Lutz Wilhelm Kellerhoff: Die Tote im Wannsee.
Ullstein, August 2018.
384 Seiten, Taschenbuch, 16,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.

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