Lisa Taddeo: Three Women – Drei Frauen

Maggie ist in der 10. Klasse als sie sich in ihren Lehrer verliebt. Er hört ihr zu, kümmert sich ums sie, hat Zeit und Verständnis – mehr als sie das von irgendjemand anderem in ihrem Leben sagen kann. Natürlich hat sie Vater, Mutter und Geschwister, aber die Eltern trinken und sind viel mit sich selbst beschäftigt, die Geschwister wohnen teilweise weit entfernt. Maggie ist kein einfaches Mädchen, aber Aaron Knodel gibt ihr das Gefühl, sich um sie zu sorgen. Mehr und mehr wächst ihr Vertrauen zu ihm, doch das Spiel läuft nur nach seinen Regeln, schließlich ist er eine Autoritätsperson. Heimlich kommen sie sich auch körperlich näher bis seine Frau es bemerkt. Für Maggie bricht die Welt zusammen, als er den privaten Kontakt zu ihr abbricht. Sechs Jahre später sitzen sie sich im Gericht gegenüber – Maggie hat ihn wegen Missbrauchs angezeigt. Aaron Knodel, den allseits beliebten dreifachen Familienvater, der gerade in North Dakota zum Lehrer des Jahres gewählt wurde. Wem wird man wohl glauben?

Lina leidet darunter, dass ihr Mann sie nicht auf den Mund küsst – schon seit vielen Jahren. Auch Sex ist für ihn nur eine Nebensache. Doch die Mutter von zwei Kindern sehnt sich nach körperlicher Nähe und nach einem starken Gefährten. Sie beginnt eine Affäre mit einem Jugendfreund und verlässt ihren Ehemann. Doch dieser Freund ist verheiratet und hat nicht vor, sich von seiner Frau zu trennen. Lina steht mit ihrem ganzen Verlangen auf Abruf bereit. Wenn er Zeit hat, springt sie ins Auto und nimmt viele Kilometer Fahrt auf sich, nur um Sex mit ihm zu haben – und die Hoffnung auf mehr zu nähren.

Sloane kommt aus einem wohlhabenden Elternhaus, doch behütet oder geliebt hat sie sich nie gefühlt. Vor allem die Mutter ist kaum fähig, Emotionen zu zeigen. Sloane ist attraktiv, hat aber ein Problem mit ihrem Körper. Sie scheint selbstbewusst, lebt ihre Sexualität aus, ist offen für Beziehungen mit Männern und Frauen. Als ihr Mann sie bittet, vor seinen Augen mit anderen Männern zu schlafen (die er in der Regel aussucht), willigt sie ein, auch wenn sie selbst nicht viel daran finden kann.

Maggie, Lina und Sloane – die drei Protagonistinnen in Lisa Taddeos Buch „Drei Frauen“ sollen mit ihrer Art von Begehren stellvertretend für viele Frauen stehen. Doch von „dem weiblichen Begehren“ zu sprechen, das Thema des Buches sein soll, finde ich doch etwas weit hergeholt. Jede Frau kann sicher eine ganze Reihe der Gedanken und Gefühle nachvollziehen, mit denen sich Maggie, Lina und Sloane herumschlagen müssen, aber die Sicht auf das weibliche Begehren bleibt für mich in diesem Buch doch sehr negativ besetzt. Es geht mehr um Missbrauch, Wartenlassen, Unterwerfung oder männliche Dominanz als um eine selbstbestimmte, wirklich lustvolle weibliche Sexualität, die im Leben dieser drei Frauen schier unmöglich scheint, aber in der Realität durchaus anzutreffen ist.

Lisa Taddeo hat jahrelang intensiv recherchiert und kriecht förmlich in die Frauen hinein. Ich hatte das Gefühl, die drei reden und denken zu hören, habe mit ihnen gefühlt und gelitten, saß aber immer wieder staunend und kopfschüttelnd da, wenn sie sich von den Männern so abhängig gemacht haben. Das Buch entwickelt einen Sog, dem man bzw. frau sich kaum entziehen kann. Die expliziten Sex-Szenen tragen ebenfalls dazu bei, auch wenn Lisa Taddeo meiner Meinung nach ab und zu mit ihren drastischen, schrägen oder kitschigen Bildern übers Ziel hinausschießt (doch vielleicht haben die Frauen das ja genau so erzählt). Journalistische Distanz oder Reflektion sucht man hier jedenfalls vergebens. Aber vielleicht ist das auch Absicht.

Im Prolog schreibt Lisa Taddeo: „Ich bin aufgebrochen, um vom Feuer und vom Schmerz der weiblichen Lust zu erzählen, damit Männer und andere Frauen erst einmal verstehen können, bevor sie urteilen.“

Vor allem den Schmerz hat sie treffend eingefangen, ich habe allerdings sehr oft die Freude an der Lust vermisst.

„Drei Frauen“ wird sowohl in den USA als auch in Deutschland überwiegend hochgelobt, doch vereinzelt – wie beispielsweise in der Rezension der Zeit – sehr kritisch gesehen. Ich finde es richtig und wichtig, dem weiblichen Begehren Raum zu geben, aber dieses Buch beleuchtet es nicht von allen Seiten. Es ist sehr lesenswert, aber sicher nicht der Weisheit letzter Schluss, sondern eher ein polarisierender Beitrag zur Diskussion.

Lisa Taddeo: Three Women – Drei Frauen.
Piper, Januar 2020.
416 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.

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