Kristina Hortenbach: Als im Hotel Messmer der Tee ausging

Ein schöner leichter Roman, der uns ins damals schon mondäne Baden-Baden der 1880-er Jahre entführt. Viel Polit-Prominenz, der deutsche Kaiser und Kaiserin Augusta weilen dort ebenso zur Kur wie die österreichische Kaiserin Elisabeth, Sisi, oder der britische Thronfolger Edward und andere erlauchte Persönlichkeiten. Sie alle genießen die ruhige, beschauliche und wohltuende Atmosphäre des relativ kleinen, aber berühmten Kurortes. Ein Roman, geschrieben von einer Autorin, die sich täglich mit den Prominenten der heutigen Zeit beschäftigt, seien es Royals der europäischen Königshäuser oder Stars und Sternchen der Filmbranche.

Auch wenn ihr Roman fiktiver Natur ist, so sind die geschichtlichen Ereignisse doch belegt, manchmal der dichterischen Freiheit geschuldet vor- oder leicht umdatiert, aber immer im Rahmen und historischem Quellenmaterial entnommen. Die mondäne Atmosphäre, das vornehme Ambiente der Hotels und Kuranlagen und -einrichtungen, die hier beschrieben sind, machen die Kulisse plastisch und den Roman angenehm zu lesen. Insbesondere Kaiserin Augusta kommt hier eine besondere Rolle zu, die sie wahrscheinlich im wahren Leben so nie gespielt hat, die aber wohl durchaus mit ihrem Wesen vereinbar gewesen wäre. Die Hotels, das Maison Messmer, zum Beispiel gibt es noch heute, bzw. heute wieder, neu erbaut an gleicher Stelle, auch Brenners Parkhotel, das aus der ehemaligen Villa Stéphanie und dem Stéphanienbad hervorging, ist noch heute eines der luxuriösesten der Stadt. Wer heute „Baden-Baden“ sagt, denkt sicher auch an Casino und Pferderennen – beides spielt auch im Roman eine Rolle. Dass der bekannte „Meßmer-Tee“ ursprünglich aus Baden-Baden kommt, wusste bis dahin vielleicht nicht nur ich nicht.

Das ist die Kulisse, vor der wir ein turbulentes Jahr mit der jungen Klara Butterfass erleben, die – noch minderjährig – sozusagen bei Nacht und Nebel den väterlichen Hof mitten im Schwarzwald verlässt, um ihrem vorbestimmten Schicksal zu entfliehen und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Vorausgegangen war wieder einmal ein Streit mit dem Vater, der seit dem Tod der Mutter bei Klaras Geburt, nur noch griesgrämig und verhärmt ist. Klara, so hat er bestimmt, soll einen wesentlich älteren, verwitweten Bauern heiraten, der eine neue Frau und Mutter für seine Kinder braucht. Für Klara, die bis dahin klaglos den Haushalt für den Vater und die drei Brüder geführt hat, bis zu deren Tod angeleitet von der Großmutter, mit der sie sich sehr gut verstanden hat und die auch Klaras Bedürfnisse immer im Blick hatte. So war es die Großmutter, die durchgesetzt hatte, dass Klara eine Schulbildung genießen konnte und es unterstützt hat, dass Klara eben gerne und problemlos gelernt hat. Vor allem das Lesen war ihr eine Freude, die der Vater überhaupt nicht gutheißen konnte. Nach dem Tod der Großmutter konnte sie nur noch heimlich lesen, durfte die Schule nicht mehr besuchen und auch die Besuche und Gespräche mit ihrer Lehrerin waren dem Vater ein Dorn im Auge. Das alles sollte jetzt ein Ende haben, wenn Klara endlich verheiratet werden würde und auf den Hof ihrer neuen Familie übersiedeln sollte.

Zum ersten Mal rebelliert Klara offen, wenn auch schweren Herzens, liegt ihre Familie ihr trotz allem doch am Herz. Sie verlässt den Hof. Ihre ehemalige Lehrerin hat ihr eine Adresse aufgeschrieben, bei der sie sicher Arbeit finden würde. Klara steigt mit viel Unbehagen und ängstlich zum ersten Mal in einen Zug und macht sich auf in eine ungewisse Zukunft. Statt bei der angegebenen Adresse landet sie allerdings in Baden-Baden. Von der Stadt hat sie noch nie etwas gehört, wie sie dort Arbeit finden soll, ist ihr schleierhaft. Doch der Zufall in Gestalt eines jungen Reporters, der für das „Badeblatt“ über die Promis in der Stadt berichtet, kommt ihr zu Hilfe. Ferdinand zaudert nicht, als er das junge, ängstliche Mädchen am Bahnhof aufliest, sondern nimmt sie mit und verhilft ihr – eher auch wieder zufällig – zu ihrer ersten Anstellung. Ausgerechnet Kaiserin Augusta ist es, die Klara diese Anstellung verschafft und die fortan so etwas wie eine Mentorin für das junge, aufgeweckte Mädchen wird. Im „Maison Messmer“ findet Klara nicht nur Arbeit, sondern auch neue Freunde, eine neue Familie. Ihr freundliches Auftreten, ihre schnelle Auffassungsgabe und durchaus auch ihre kecke Art (Klara tritt schon mal gerne ins Fettnäpfchen) tragen viel dazu bei, dass sie schnell beliebt ist und man sie in der Stadt kennt. Dennoch muss sie ständig in der Angst leben, dass ihr Vater nach ihr suchen und sie nach Hause zurückholen lässt. Nicht unbegründet.

Doch Klara geht ihren Weg, gradlinig, aufrichtig und nach einiger Zeit auch durchaus selbstbewusst.
Unterhaltsam, spannend, mit einem guten Einblick in die „bessere Gesellschaft“, die zu Klaras Umfeld wird. Gleichzeitig eine realistische Schilderung der Situation junger Frauen im ausgehenden 19. Jahrhundert, denen es nicht von vornherein vergönnt war, ihr Leben selbst zu bestimmen. Auch nicht denen, die aus besser gestellten Kreisen stammten als Klara Butterfass. Ein gelungener, lockerer, flüssig geschriebener, gut recherchierter historischer Roman, der uns für kurze Zeit mitnimmt in die Kaiserzeit und in eine Stadt, die auch heute noch Flair und Promis zu bieten hat. Kristina Hortenbach: Als im Hotel Messmer der Tee ausging

Kristina Hortenbach: Als im Hotel Messmer der Tee ausging
emons, Mai 2025
336 Seiten, Paperback, 16,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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