Romane, die in den 1950-er oder 1960-er Jahren spielen, sind gerade sehr modern. „Lore und die letzten Tage“ von Killen McNeill reiht sich in diese Texte ein.
2022 ist Lore Jungkunz 92 Jahre alt. Anlässlich einer Gedenkfeier für Opfer der letzten Kriegstage kommen Erinnerungen an die Jahre 1944 und 1945 in ihr hoch. Lore wohnt damals mit Mutter und Großmutter in Nürnberg. Sie wird als Erntehelferin zum Bauernpaar Waigandtnach Seilar abkommandiert, einem idyllischen Bauerndörfchen, von Nürnberg aus mit dem Zug erreichbar. Die Weigandts schließen die tüchtige Lore, die sich kein Blatt vor den Mund nimmt, schnell ins Herz. In Seilar begegnet Lore auch dem Hitlerjungen Anton.
Sie verlieben sich ineinander und dürfen wie unter einer Glaskuppel eine schöne Zeit genießen, während anderen schon längst klar ist, dass die Deutschen den Krieg verlieren werden. Beinahe jede Familie bekommt die Nachricht vom „Heldentod“ eines Sohnes, Bruders, des Vaters. Auch der älteste Sohn der Weigandts fällt an der Front. Anschaulich schildert Killen McNeill das Leben der deutschen Zivilbevölkerung kurz vor dem Zusammenbruch des Dritten Reiches. Fanatikern begegnet Lore ebenso wie Widerstandskämpfern.
Nach dem Ernteeinsatz muss sie zwar zurück nach Hause und dort als Krankenschwester arbeiten. Für sie aber steht fest: Anton ist die Liebe ihres Lebens. Am 2. Januar 1945 wird Nürnberg verheerend bombardiert. Lore verliert ihre Mutter und die Oma und wird zur Vollwaise. Weil sie bei den apokalyptischen Zuständen in Deutschland nicht weiß, wohin, kehrt sie zu den Waigandts zurück und wird von ihnen wie ein eigenes Kind aufgenommen.
Flüchtlingstrecks ziehen durch das Land, überall herrscht schlimmstes Elend. Wie kann es gelingen, Seilar den anrückenden Amerikanern zu übergeben, wo doch im Schloss Seilar eine zu allem entschlossene Einheit SS-Soldaten liegt? Lore, Anton und ihr gemeinsamer Freund Franz werden in ein Täuschungsmanöver hineingezogen, das eskaliert. Am Ende verlieren Unschuldige ihr Leben und Lore fragt sich bis ins hohe Alter: Was genau ist damals passiert? Bei der Gedenkfeier für die Getöteten von Seilar erkennt sie endlich die Zusammenhänge.
Fazit: Ein gutes Buch! Leseempfehlung!
Killen McNeill: Lore und die letzten Tage.
Ars Vivendi, November 2023.
240 Seiten, Hardcover, 22,90 €.
Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.