Ein historischer Roman, der uns zunächst ins Berlin der Goldenen Jahre, den 1920ern, entführt.
Theo Manthey, Inhaber des gleichnamigen Zeitungsverlages, möchte sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem aktiven Geschäftsleben zurückziehen und die Leitung des Verlages seinen Söhnen Fritjof und Alexander übertragen. Fritjof ist bereits in die Geschäfte eingebunden, Alexander interessiert sich mehr für schöne Frauen und das Berliner Nachtleben. Tochter Vicky ist außen vor, für sie ist eine standesgemäße Ehe vorgesehen und eine eigene Familie. Zunächst aber möchte auch Vicky das Nachtleben genießen, immerhin hat sie grade ihre Zeit im vornehmen Internat hinter sich gebracht. In ihrem Bruder Alexander hat sie den idealen Begleiter. Das Leben könnte so schön sein, wenn nicht ein tragischer Unfall, bzw. Mord, ihr Leben fortan überschatten würde. Alle drei Geschwister sind darin verwickelt und müssen in Zukunft damit leben, dass sie die Tat vertuscht haben. Ihr Verhältnis untereinander ist nicht mehr unbeschwert.
Nachdem Alexander gezwungenermaßen im Verlag mitarbeiten muss, entwickelt er eine Leidenschaft für Druckmaschinen und hat einige gute Ideen, dem Verlag neuen Schwung zu verleihen. Allerdings sympathisiert er immer mehr mit den erstarkenden Nationalsozialisten und ihren Ideen. Ganz im Gegensatz zu seinem Bruder Fritjof, der den konservativen Stil der Zeitung beibehalten möchte, im Einvernehmen mit dem Vater. Die Existenz der Zeitung steht auf der Kippe.
Alexander geht so weit, sich, um den Niedergang des Familienunternehmens zu verhindern, von den Nazis instrumentalisieren zu lassen und ihre Schriften zu drucken. Die „Kinder“ verändern sich im Laufe der Jahre stark. Aus Vicky, dem einstigen verwöhnten Töchterchen, das das Nachtleben genießt, wird eine erfolgreiche Gerichtsreporterin, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt und später am eigenen Leib erfahren muss, was es heißt, von den Nazis verfolgt zu werden, nicht mehr schreiben zu dürfen, was man für richtig hält. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem Investigativjournalisten Harry, der früher einmal selbst bei Manthey angestellt war, aber von Fritjof entlassen worden war, weil der befürchtet hatte, Harry könnte recherchieren, was in der Unglücksnacht wirklich passiert ist, ist Vicky gezwungen, Deutschland zu verlassen.
Ihre Familie sieht sie jahrelang nicht. Katrin Tempel hat Fakten gründlich recherchiert und geschickt mit Fiktionen verwoben zu einem packenden, spannenden Roman, der nicht nur geschichtlich hochinteressant ist, sondern auch gleich noch einen Krimi in sich birgt. Die Entwicklung der Familie, der einzelnen Mitglieder in unterschiedliche Richtungen ist sehr plastisch geschildert. Der Kampf ums Überleben des Verlages, natürlich eng verbunden mit den Einzelschicksalen, die politischen Entwicklungen Ende der 1920er Jahre und Anfang der 1930er, ziehen den Leser sofort in ihren Bann. Man fiebert mit Vicky und Harry, ärgert sich über Alexander, schüttelt manchmal den Kopf – auch über Fritjof. Man ist mittendrin. Toll geschrieben, super recherchiert. Mal wieder eine andere Perspektive, aus der wir auf die jüngere Vergangenheit schauen.
Ein sehr gelungener Auftakt dieser Familiensaga, die auf drei Bände angelegt ist.
Katrin Tempel: Die Zeitungsdynastie: Goldene Jahre.
Piper, Juni 2024.
400 Seiten, Taschenbuch, 12,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.
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