Der Klimawandel beeinflusst nicht nur unser Wetter. Oder sagen wir es anders: Das Wetter beeinflusst nicht nur unser direktes Wohlbefinden. Überflutungen reißen nicht nur Häuser ein, sondern legen auch Dinge frei, die man vor sehr vielen Jahren leider nicht verbrannte, sondern nur tief vergrub. Auch im auftauenden Permafrost lagern noch Viren und Bakterien, die die Menschheit längst ausgerottet glaubte.
Bei einem Erdrutsch durch auftauende Permafrostböden werden Karibu-Reste freigelegt. Die Herde starb vor vielen Jahren – Jahrzehnten – am Milzbrand und wurde damals einfach tief vergraben. Der Forscher Gereon erkennt in dem gefährlichen Erreger aber auch eine Chance: Er möchte ihn modifizieren und in der Krebsforschung einsetzen.
10 Jahre später ist er kurz vor dem Durchbruch, als er in Alaska plötzlich verschwindet. Seine Freundin Nina Falkenberg – selbst Mikrobiologin – bittet ihren alten Freund Tom um Hilfe, weil der sich gerade auf einer Reise durch Nordamerika befindet und sozusagen in der Nähe ist. Gleichzeitig tauchen in Berlin zwei tote Obdachlose auf, die ebenfalls an Milzbrand gestorben sind, was eher ungewöhnlich ist, denn eigentlich ist Milzbrand zwar gefährlich, aber durchaus gut behandelbar.
Darum haben die beiden Autorinnen Kathrin Lange und Susanne Thiel einen Thriller erdacht, der es in sich hat. Es geht um die Folgen des Klimawandels im auftauenden Eis, den wir hier gar nicht so richtig im Bewusstsein haben. In der Landschaft entstehen plötzlich riesige Löcher, weil das Eis fehlt und die ganze Sache damit nicht nur weniger Volumen hat, sondern auch noch rutschig wird. Im Eis konnten Viren und Bakterien unbeschadet überleben, das bietet dem Krebsforscher Gereon eine Chance, aber auch eher nicht wohlmeinenden Menschen eine Gelegenheit. Noch ist der Anthrax-Anschlag von 2001 im USA-Gedächtnis verankert, als der Milzbrand jetzt wieder auftaucht, wird man nicht ohne Grund nervös. Es geht aber auch um Rache, um hilflose Verzweiflung und um menschenverachtendes Denken. Nina muss im Verlauf des Buches lernen, dass ihr Freund Gereon wohl doch nicht der strahlende Engel ist, als den sie ihn gerne sieht und dass er vor allem nicht immer ehrlich zu ihr war.
Mir hat gefallen, wie die beiden Autorinnen ihre Protagonisten durch den Klimawandel und seine Folgen trieben, ohne dem Leser dabei das rote Schild vor die Nase zu halten. Und dass sie eher Folgen beschrieben haben, die eben nicht jeden Tag in den Nachrichten sind, wie eben das Absacken des Untergrunds.
Insgesamt ein spannender Thriller, der auf keiner Seite langweilig wurde und trotzdem so lehrreich war. Die Reihe ist als Trilogie geplant, der nächste Band soll sich um das Artensterben drehen. Ich bin gespannt, was Mikrobiologin und Wissenschaftsjournalistin Nina dann erlebt.
Kathrin Lange/Susanne Thiele: Toxin
Lübbe, Juli 2023
Seiten 464, Taschenbuch, 17,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.