1973 beherrscht der Kalte Krieg den Konflikt zwischen den westlichen Mächten und der Sowjetunion. Sechs Männer lenken zu dieser Zeit die Geschicke des britischen Geheimdienstes MI6 im Kampf gegen den KGB und den Kommunismus in einem zentralen Rat, der Circus genannt wird. Der Circus besteht zu dieser Zeit aus Control als Leiter der Gruppe, seiner rechten Hand George Smiley, dem Informationsexperten Percy Alleline, dem Militärberater Roy Bland, dem Verbindungsspezialisten Bill Haydon und dem Abwehrexperten Toby Esterhaze. Der bereits schwer kranke Control hegt den Verdacht, dass sich ein Doppelagent in den höchsten Kreis des MI6 eingeschleust hat. Dieser Maulwurf, befürchtet Control, untersteht direkt dem Chef des KGB, der als Karla oder Gerstmann bekannt ist. Einer von Controls fünf engsten Mitarbeitern muss der Verräter sein.
Der Agent Jim Prideaux trifft sich auf Controls Veranlassung unter dem Decknamen Jim Ellis in Budapest mit einem ungarischen General, der zu den Briten überlaufen will und der das Codewort übergeben soll, mit dem der Maulwurf im Circus enttarnt werden kann. Die Aktion endet in einer Katastrophe und Prideaux wird schwer verletzt den Russen übergeben, die ihn monatelang verhören und foltern, bis er auch die letze Information preisgegeben hat. Control wird als Chef des MI6 abgesetzt und stirbt nur wenige Tage später im Krankenhaus. Seine rechte Hand George Smiley wird gleichzeitig in den Ruhestand versetzt, Percy Alleline leitet seit Controls Vertreibung den Circus.
Monate nach diesen Ereignissen erhält George Smiley in seinem Londoner Haus überraschend Besuch von Peter Guillam, dem Leiter der Reisestelle des MI6. Dieser bringt Smiley zu Ricki Tarr, einem sogenannten Skalpjäger und Mitarbeiter Guillams. Tarr erzählt Smiley die unglaubliche Geschichte über eine russische Handelsdelegation in Hongkong und seine Affäre mit Irina, der Frau eines ihrer Delegierten. Irina hat Tarr angeboten, dem MI6 den Namen des russischen Maulwurfs im Circus zu verraten, wenn er ihr hilft, in den Westen zu fliehen. Noch bevor Tarr Anweisungen von seiner heimischen Dienststelle erhalten hat, wird Irinas Mann ermordet und sie nach Russland zurückgebracht.
Oliver Lacon, der für den Geheimdienst zuständigen Staatssekretär beauftragt den widerstrebenden Smiley damit, die Identität des Maulwurfs zu entlarven. Doch Smiley ist nicht ganz bei der Sache. Seine Frau Ann hat ein Verhältnis mit seinem Ex-Kollegen Bill Haydon und ist aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen. Seine persönlichen Probleme lenken Smiley ab und erschweren die Suche nach dem Verräter.
Nach acht Jahren quittierte David John Moore Cornwell seinen Dienst beim britischen MI6 und begann unter seinem Pseudonym John le Carré Agententhriller zu schreiben. „Dame, König, As, Spion“, 1974 erschienen, ist sein siebter Roman und der fünfte, in dem sein berühmter Protagonist George Smiley auftritt. Le Carrés Figuren und die Welt, in der sie agieren, haben nichts gemein mit der mondänen Glitzerwelt, in der sich ein James Bond bewegt. Sie sind graue Bürokraten, die in ihren abgeschotteten Büros wie in einem Elfenbeinturm residieren und mittels Telefonen und Fernschreibern das Heer ihrer untergeordneten Agenten dirigieren. Ihre Zusammenarbeit ist geprägt von gegenseitigem Misstrauen und Taktieren, jeder versucht dem Anderen eine Nasenlänge voraus zu sein in dem Spiel um die Macht. In diese Atmosphäre platzt wie eine Bombe die Nachricht, dass es einen Maulwurf im innersten Zirkel der Macht geben soll.
Die Suche Smileys nach dem Verräter gestaltet sich umständlich und mühsam. Hilfe erhält er nur durch den pensionierten Inspektor Mendel und Peter Guillam. Smiley sucht ehemalige Mitarbeiter des Circus auf wie den untergetauchten Jim Prideaux alias Jim Ellis oder die geschasste Gedächtnisakrobatin Connie Sachs. Die langen Gespräche, in denen Smiley meistens schweigt und häufig einen zerstreuten Eindruck erweckt, liefern dem Leser die Puzzleteile, durch die sich die Handlung nach und nach erschließt. Le Carré gibt seinen Figuren Raum und lässt sie in ihrem eigenen Tempo erzählen, oft umständlich und mit Abschweifungen, manchmal hastig und überstürzt und wichtige Fakten auslassend. Und nie kann sich der Leser sicher sein, was der Wahrheit entspricht und was der Phantasie von Smileys Gesprächspartnern entspringt.
Wer Action erwartet, wird von diesem Thriller, der eigentlich keiner ist, enttäuscht sein. Aber wer sich einlässt auf le Carrés episch auserzählte, überaus komplexe Geschichte wird belohnt mit einer geistreichen und scharfsinnigen Studie über den schmalen Grat zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Verrat und Loyalität.
Im List Verlag ist im Januar 2012, passend zum Deutschlandstart der Hollywood-Verfilmung durch den schwedischen Regisseur Tomas Alfredson, eine Ausgabe von le Carrés Roman in neuer deutscher Übersetzung erschienen.
John le Carré: Dame, König, As, Spion.
List, Januar 2012.
416 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Martina Sprenger.