Eine Hommage an die guten alten englischen Schauerromane des 19. Jahrhunderts, die man am besten bei Gaslicht vor dem knisternden Kamin um Halloween herum liest – das ist John Boynes „Haus der Geister“.
London 1867: Als ihr geliebter Vater stirbt, braucht die 21-jährige Lehrerin Eliza Caine Distanz und tritt eine Stelle als Gouvernante in einem einsamen Herrenhaus in Norfolk an. Dort angekommen, stellt sie überrascht fest, dass sich außer den zwei Kindern, für die sie künftig zuständig ist, niemand in dem Haus aufzuhalten scheint. Schon bald muss Eliza eine zweite Feststellung machen: Hier spukt’s – und das nicht zu knapp.
Man könnte dem Buch vorwerfen, dass es nicht sonderlich originell ist. Es kommen all jene Motive vor, die man aus entsprechenden Büchern und Filmen des Genres kennt. Türen und Fenster, die sich nicht mehr öffnen lassen, plötzlich auftretender Wind, unsichtbare Hände, die der Hauptfigur an die Gurgel gehen … Doch auf Originalität ist John Boyne nicht aus. Er will die Atmosphäre der Werke etwa von Charles Dickens, der selbst zu Beginn des Romans einen Kurzauftritt hat, oder Emily Brontë („Sturmhöhe“) heraufbeschwören. Und das gelingt ihm ganz hervorragend – allerdings nicht ohne sich ein paar amüsante Seitenhiebe auf jene Zeit aus heutiger Sicht zu gönnen. So ist Eliza deutlich aufsässiger, als es junge Damen im 19. Jahrhundert sicher zumeist waren, und sie lässt bisweilen emanzipatorisches Gedankengut aufblitzen.
Fans herrlich altmodischer Geistergeschichten sollten dieses Buch lesen. Es ist übrigens überaus erstaunlich, dass John Boyne einen solchen Roman schreibt, ist er doch mit einem Werk aus einem gänzlich anderen Genre berühmt geworden: „Der Junge mit dem gestreiften Pyjama“ handelt vom Holocaust.
John Boyne: Haus der Geister.
Piper, Oktober 2014.
336 Seiten, Taschenbuch, 16,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.