Joachim B. Schmidt ist 2007 nach Island ausgewandert und wohnt mit seiner Familie in Reykjavik. Kein Wunder also, dass er seine Romane in seiner Wahlheimat ansiedelt. Seine vorangegangenen Bücher Kalmann und Tell wurden mehrfach ausgezeichnet. Weiter sind bei Schreiblust-Leselust die Rezensionen von In Küstennähe und Am Tisch sitzt ein Soldat nachzulesen.
„Moosflüstern“ ist an einen historischen Hintergrund aus den Jahren von 1949 bis 1952 angelehnt. Damals wurden junge deutsche Frauen zur Arbeit auf Bauernhöfen in Island gesucht. Einige hunderte junge Mädchen und Frauen folgten dem Aufruf des isländischen Vizekonsulats in den Lübecker Nachrichten.
In zwei sich abwechselnden Erzählsträngen lesen wir vom Bauingenieur Heinrich Lieber, der erst spät erfährt, dass seine leibliche Mutter kurz nach seiner Geburt nach Island ausgewandert ist.
Das Leben von Heinrich Liebers Mutter mit ihren Beweggründen, Kind und Mann zu verlassen und von ihrem Neuanfang in den Westfjorden Islands, wird in Ich-Form abwechselnd mit Heinrichs Geschichte erzählt.
Heinrich Lieber weiß bis zu seinem vierzigsten Lebensjahr nicht, dass seine Mutter nicht seine leibliche Mutter ist. Immer fanden sich vermeintliche Gründe, dies zu verschweigen. Das Familiengeheimnis über Heinrichs Mutter wird erst gelüftet, nachdem sie in Island bereits gestorben und begraben ist. Doch dies ist nicht der einzige Einschnitt, mit dem Heinrich zu kämpfen hat. Auch in seinem Job gibt es Probleme, die ihm zu schaffen machen. Ein Grund mehr, dass Heinrich die Flucht antritt.
Als Erstes reist er nach Paris. Dort lebt noch die Schwester seiner Mutter, von deren Existenz er bislang auch noch nichts wusste. Von ihr erhofft sich Heinrich, nähere Informationen über seine Mutter zu erfahren. Sein Aufenthalt in Paris währt nicht lange, bis er nach Island weiterfliegt.
Alles, was ihn in der Hauptstadt Reykjavik erwartet, wie Heinrich sich auf Island zurechtfindet und was alles er über seine Mutter in Erfahrung bringen kann, soll hier nicht weiter verraten werden. Nur so viel: Auf seiner Reise in die Westfjorde, wo die Mutter auf einem Bauernhof gelebt hatte, setzt Heinrich sich nicht nur mit den neuen familiären Verhältnissen auseinander, sondern taucht auch tief ein in die isländische Natur.
Joachim B. Schmidt verwebt die Schicksale von Mutter und Sohn spannend mit intensiven Naturbeschreibungen.
Joachim B. Schmidt: Moosflüstern.
Diogenes, August 2024.
288 Seiten, Taschenbuch, 14,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.