Joachim B. Schmidt: Am Tisch sitzt ein Soldat

Jon Palsson studiert 1967 in Hamburg Medizin. Er stammt von einem abgelegenen Bauernhof in Island. In der beklemmenden Enge seiner Heimat hat ihn nicht viel gehalten, ob Medizin wirklich das Richtige für ihn ist, weiß er aber auch nicht so genau. Er bewohnt mit seiner Freundin Niki eine kleine Wohnung in einem Mietshaus, das dem eleganten und etwas seltsamen Herrn Paul gehört. Eines Tages bekommt Jon ein Fernschreiben aus Island.

Seine Tante Rosa schreibt ihm, dass seine Mutter im Sterben liegt. Er fährt sofort nach Hause. Dort holt ihn die Vergangenheit ein. Auf Steinholt, so der Name des Hofes, und im Dorf hat sich nicht viel verändert. Sogar die deutsche Messerschmitt liegt noch vor dem Haus. Das Flugzeug ist 1942 abgestürzt. Genau zu diesem Zeitpunkt ist auch Jons Vater verschwunden. Er ist zusammen mit dem Bezirkspräsidenten in einem Gletscherfluss ertrunken, als beide Schafe von der Winterweide holen wollten.

Ihre Leichen wurden nie gefunden. Dem abgestürzten Soldaten aus dem deutschen Flugzeug hat Jons Großvater das Leben gerettet, ihn am Küchentisch mit selbstgebranntem Schnaps abgefüllt und anschließend amerikanischen Soldaten übergeben, die schon nach ihm gesucht haben. Soweit die Familiengeschichten. Jon trifft seine Mutter noch lebend an. Sie möchte ihm unbedingt etwas sagen. Er aber schläft an ihrem Bett ein und registriert ihre Kontaktversuche nur im Traum. Am nächsten Morgen ist sie tot. Mit seiner Mutter verschwindet das letzte bisschen Herzlichkeit aus Steinholt.

Tante Rosa ist hartherzig und grob, Jons älterer Bruder Palli aufgrund eines Unfalls mit einer Pistole schwer behindert. Nirgendwo am Hof gibt es ein bisschen Freude. Nur ein einziger, windzerzauster Baum steht neben dem Haus, vom verstorbenen Großvater gepflanzt. Und genau unter diesem Baum findet Jon einen menschlichen Schädel. Plötzlich tun sich schmerzliche Fragen auf und lange Verschwiegenes drängt ans Licht. Wer ist der Tote? Der Kopf weist eine Schusswunde auf.

Was ist wirklich passiert damals, als der deutsche Pilot abgestürzt ist? Tante Rosa verschweigt Ungeheuerliches. Das Buch endet zwar positiv, aber mit einem Paukenschlag.

Fazit: Atmosphärisch dichte, meisterhaft erzählte Geschichte. Klare Leseempfehlung!

Joachim B. Schmidt: Am Tisch sitzt ein Soldat.
Diogenes, August 2023.
319 Seiten, Paperback, 14,40€.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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