Jess Jochimsen: Abschlussball

„… Geschichten kann man nicht erklären. Man kann sie nur erzählen.“ (S. 249)

Martens Geschichte beginnt mit einer Verweigerung. Als kleiner Junge wohnt er in einem Haus, in dem es ständig zu laut ist. Nie findet er Ruhe, und keiner versteht sein Bedürfnis. In ihm wächst der Gedanke heran, schneller zu altern als Gleichaltrige. Und weil er es sich fest vorstellt, ist auch sein Körper mit diesem Gedanken im Einklang. Wer schnell altert, wird früh sterben, denkt Marten. Er schließt mit seinem Leben ab und wartet geduldig auf sein frühes Ende. Marten wird trotzdem erwachsen und ohne es zunächst zu begreifen, beginnt er sein Leben neu zu definieren.

Der 1970 geborene Jess Jochimsen dürfte für viele kein Unbekannter sein, denn seit 1992 tritt der Kabarettist und Autor mal auf Bühnen, mal im Fernsehen auf. 2000 erschien sein erster Roman. Was den Leser im Abschlussball erwartet, könnte man im übertragenen Sinne mit einem wundersamen Märchenroman umschreiben. Marten, ein junger Mann, zieht aus, um sich beziehungsweise den richtigen Ton in seinem Leben zu finden mit allem, was dazugehört: Schicksal, Drama, Humor und dem Kabarettisten sei Dank viel Aberwitziges. Denn nach seiner tragischen Kindheit arbeitet Marten für einen Bestatter, um auf seiner Trompete die Angehörigen beim Abschiednehmen am Grab zu begleiten. Regelmäßig organisiert Martens Chef für die Ärmsten der Armen einen großzügigen Leichenschmaus, wenn einer der ihren zu Grabe getragen wird. Im Laufe der Zeit haben die von Spenden getragenen Feiern den Namen Abschlussball erhalten. Eigentlich der beste Ort für jemanden, der mit allem abgeschlossen hat. Einer dieser Abschlussbälle sorgt für eine Überraschung, die Marten auf einen anderen Lebenskurs bringt.

Bei der extrem kurzweiligen Lektüre darf sich der Leser auf eine berührende und schön erzählte Reise ins Leben freuen, wie sie bisher selten erzählt worden ist.

„… Ich habe nie nach Abenteuern gesucht, im Gegenteil, ich habe mein ganzes Leben darauf ausgerichtet, Abenteuer zu vermeiden. Aber manchmal … spielt (es) Katz und Maus mit dir. … Vielleicht bist du gebrochen. Vielleicht geläutert. Aber eines bist du mit Sicherheit nie: Der, der du warst.“ (S. 294; 295)

Jess Jochimsen: Abschlussball.
dtv, Oktober 2018.
312 Seiten, Taschenbuch, 10,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

 

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