Jeff Vandermeer: Southern Reach 01: Auslöschung

jeff2Mehr als 30 Jahre ist es her, dass in einer abgelegenen Gegend etwas Ungewöhnliches passierte. Seitdem ist ein ganzer Küstenbereich, schlicht und doch mysteriös als Area X bezeichnet, hermetisch durch eine nicht näher definierte Grenze umschlossen und abgeschottet. Die Regierungsorganisation Southern Reach hat die Aufgabe, den menschenleeren Landstrich zu erforschen.

Über die Jahre wurden diverse Expeditionen ausgesandt, deren Teilnehmer alle auf die unterschiedlichsten Arten ums Leben kamen.

In Auslöschung begleiten wir die 12. Expedition deren vier Teilnehmerinnen – eine Psychologin, eine Anthropologin eine Landvermesserin und eine Biologin – uns nur über ihre jeweilige Funktion vorgestellt werden. Aus der Sicht der über den ganzen Roman hinweg unbenannt bleibenden Biologin folgend wir der Expedition über die Tagebucheinträge, die jeder der Expeditionsteilnehmer seit dem ersten Versuch den Rätseln der Region beizukommen, anzulegen verpflichtet ist.
Auf welche Art sie die nicht näher benannte Grenze überschreiten bleibt, wie so vieles im Roman, unklar. Ganz wissenschaftlich-nüchtern, zu Beginn fast unterkühlt beschreibt die Biologin die Umwelt, auf die die Expedition stößt, ihre Wirkung auf die Forscherinnen und die Absonderlichkeiten, auf die sie stoßen.

Schnell wird deutlich, dass in der Area X etwas Unheimliches vorgeht, das sich dem Gewohnten, dem Erforschten, dem Rationalen entzieht. Und die Biologin stößt auf deutliche Hinwiese darauf, dass sowohl Southern Reach als auch die sie begleitende Psychologin den Forscherinnen so einiges verheimlicht haben. Was hat es mit dem Leuchtturm und dessen Wächter auf sich, und was mit dem Turm / Tunnel der nahe ihres Basislagers in die Tiefe der Erde führt?

An den Wänden des Tunnels hat etwas Unbekanntes Botschaften aus lebender Flora hinterlassen, deren Worte, obzwar verständlich, keinen Sinn ergeben. Dann beginnt das Sterben ….

Was ist das für ein Buch, das nach Erscheinen in den USA zu wahrem Kultstatus gelangt ist?

Es geht um die Erforschung einer Region, in der etwas passiert ist – was, das erfahren wir über die gesamte Dauer des Romans nicht. Und das ist gewollt und bleibt auch so.

Wir erfahren zwar ein wenig aus dem Leben der Biologin, doch mit ihr warm werden wir nicht – auch wenn wir ihre Einstellung, ihre Ängste und Überzeugungen über das, was rund um sie vorgeht nach und nach übernehmen. Ganz bewusst verzichtet Vandenmeer darauf uns seine Gestalten vorzustellen, sie als Persönlichkeiten begreifbar zu machen – um auf diese Weise das Interesse ganz auf die Area X zu richten.

Auch hier erfahren wir aus den Tagebuchaufzeichnungen nur das, was unsere Biologin selbst ermittelt, schließt und vermutet. Sehr schön hat der Verlag sich hier überlegt uns das Buch, äußerlich passend, nach dem Entfernen des Schutzumschlags, als Notizbuch zu präsentieren, um dieser Tatsache auch gestalterisch gerecht zu werden.

Vieles im Roman bleibt ganz bewusst offen, wird nur zaghaft angedeutet, um dann wieder unterzutauchen, der Leser ist gezwungen, seine ganze Phantasie einzusetzen, um aus den Andeutungen Bilder in seinem Kopf entstehen zu lassen.

So ist dies beileibe kein einfaches Buch, sondern ein Werk, das den Rezipienten fordert, das zumindest mich aber auch an die Seiten fesselte.
Anfänglich erinnerte es mich ein wenig an Ballards „Kristallwelt“, dann an wieder an Lovecraft´sche Texte und doch ist es ein ganz anders, ein eigenes Buch.
Gerade weil wir nur das erfahren, was unsere Biologin sich erschließt – und wahrscheinlich sogar nicht einmal alles – wirkt der Text ebenso mysteriös wie verstörend aber auch faszinierend, füllen wir doch die bewusst gelassenen Lücken mit unserer eigenen Phantasie.
Da braucht es keine grellen Schockeffekte um Angst zu wecken, das Gebotene richtet sich auch an unser Unterbewusstsein – und dies überaus gekonnt.

Vieles, nein eigentlich alles bleibt zum Finale hin offen, die Zeit bis zum zweiten Teil, der für Januar 2015 in Vorbereitung ist, wird lang werden.

Jeff Vandermeer: Southern Reach 01: Auslöschung.
Antje Kunstmann, September 2014.
240 Seiten, Taschenbuch, 16,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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