»… Wehrt euch nicht. Widersprecht nicht. Hebt die Hände. Haltet den Mund. Tut einfach alles, was sie von euch verlangen, dann passiert euch nichts.« (S. 302)
Dies sind die Ratschläge eines schwarzen Polizisten an seine beiden Söhne. Er kennt sich aus. Er weiß, was passieren kann, wenn seine weißen Kollegen von dunkelhäutigen, bedrohlich aussehenden Menschen umgeben sind. Der Vater kennt seine eigene Nervosität und die der Kollegen, die in einem verrufenen Stadtviertel für Ordnung sorgen. Früher lebten in dieser Gegend mehr Weiße als Schwarze, Inzwischen hat sich das Verhältnis umgekehrt.
Der sechzehnjährige Rashad hält sich an die väterlichen Regeln, auch an einem bestimmten Freitagabend im Supermarkt. Ein Missverständnis, ein übereifriger Polizist und Rashads Leben ist ein anderes.
Quinn sieht den Mitschüler Rashad auf dem Asphalt vor dem Laden liegen, die Hände auf dem Rücken gefesselt, das Gesicht zerschlagen. Und der Polizist prügelt weiter auf den Hilflosen ein. Bevor Rashad ohnmächtig wird, kann er nur noch eines denken: »… Bitte töte mich nicht.« (S. 30)
Das Autorenduo Jason Reynolds und Brendan Kiely haben in ihrem Jugendroman eine Mission. Sie wollen den verhängnisvollen Cocktail aus Vorurteilen, Angst und Rassismus entschärfen. Zwischen ihren Zeilen liest man: Sieh dein Gegenüber genau an und nicht das Bild, das andere in dein Gehirn gepflanzt haben.
Die beiden sympathischen Hauptfiguren suchen noch einen Weg zu ihrem Lebensziel. Während Rashad am liebsten malt, aber auf den Wunsch des Vaters hin eine militärische Karriere anstrebt, leidet Quinn unter dem Verlust seines Vaters. Jeder sieht in ihm den vorbildhaften Sohn eines in Afghanistan gefallenen Helden. Paul, ein Polizist aus der Nachbarschaft, fördert Quinns Talent beim Basketball und ist inzwischen sein väterlicher Freund. Als Quinn ihn bei einem Fehlverhalten beobachtet, ist auch sein Leben aus den Fugen geraten. Wie konnte er einem Schläger vertrauen? Hatte Paul wirklich nur seine Arbeit getan? Die ganze Nachbarschaft ist auf Pauls Seite. Soll er wie alle aus seiner Straße wegsehen? Und wie weit darf polizeiliche Gewalt gehen?
Mit Hilfe der sozialen Medien entsteht in der Geschichte um Rashad und Quinn eine unkontrollierbare Dynamik, die zu einem Grabenkrieg führt. Die Meinungsmacher haben vielleicht im guten Glauben einen Flächenbrand entfacht. Das Löschen überlassen sie anderen. Am Ende scheint es für Annäherungen keine Zwischenstufen mehr zu geben. Schwarz ist schwarz, weiß ist weiß.
Das Böse in diesem Roman ist weiß und hat kräftige Arme, die in einer Uniform stecken. Für eine fundierte Meinungsbildung fehlt die Beschreibung des Systems ‚Polizei‘. Denn Paul könnte sowohl Täter als auch Opfer sein. Was mit Rashad und Quinn passieren wird, bleibt ebenfalls offen.
Unterhaltsam und kurzweilig lädt »Nichts ist okay!« zur Diskussion ein. Mission erfüllt.
Jason Reynolds & Brendan Kiely: Nichts ist okay!.
dtv, August 2016.
320 Seiten, Taschenbuch, 14,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.