Jan Costin Wagner: Am roten Strand

Es ist der zweite Band seiner zweiten Krimireihe den der Autor im März 2022 den Lesenden vorlegt. In einer Zeit, in der sexualisierte Gewalt ein öffentlich relevantes Thema geworden ist, bietet es sich natürlich auch an, das Wagnis einzugehen, sich diesem Thema im Genre eines Krimis zu nähern.

Dass dies kein leichtes Unterfangen ist und Fingerspitzengefühl braucht, ist klar. Aber Jan Costin Wagner ist ein erfahrener Autor, der es bisher immer wieder geschafft hat, ungewöhnliche Handlungsstränge und Charaktere in seinen Plots zusammenzubinden. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass Wagner mit einer Finnin verheiratet ist. Folglich findet  sein Leben zwischen Finnland und seiner hessischen Heimat bei Frankfurt statt. Hier wurde er 1972 geboren. Nach seinem Germanistik- und Geschichtsstudium verlegte er sich ganz auf das Schreiben  spannender Krimis. Mehrere hochkarätige Auszeichnungen und die Übersetzungen seiner Titel in vierzehn Sprachen sind eindrucksvolle Bestätigungen seines schriftstellerischen Könnens.

Nach dem im Jahr 2020 erschienen ersten Band „Sommer bei Nacht“ müssen sich seine Ermittler Ben Neven und Christian Sandner nun der brisanten Frage stellen, wie eine Gesellschaft mit  Pädophilität umzugehen hat. Dabei geraten die Polizisten in die brisante Situation, die Täter sogar schützen zu müssen. Das ist menschlich anspruchsvoll und ethisch grenzwertig.  Es begann mit der Entführung eines Kindes:

Das Kind konnte von den beiden Ermittlern befreit werden. Doch die Rettung des Kindes stellt nur den Anfang des Plots dar. Einer der beiden Entführer konnte gefasst werden. Der zweite Täter wurde von Ben Neven erschossen. Es folgt das Übliche: Interne Untersuchungen und weitere Recherchen. Hierbei verdichten sich die Hinweise, dass die beiden Entführer einem ganzen Netzwerk von Tätern angehören. Diese Gruppe organisiert sich via Internet. Nach und nach kommt die Polizei den furchtbaren Machenschaften des Netzwerkes auf die Spur. Als auch der zweite Kindesentführer in Untersuchungshaft unter rätselhaften Umständen stirbt, spitzt sich die Lage der beiden Ermittler zu. Sie stellen fest, dass auch andere dem Netzwerk auf der Spur sind. Die Ermittler stehen in der Gefahr, Opfer ihrer eigenen Unsicherheit und der paradoxen Ermittlungssituation zu werden. Auch ihre kollegiale Loyalität wird dabei auf eine harte Probe gestellt.

In seinem Buch schickt Wagner seine Leser in ein Wechselbad der Gefühle. Er vermeidet jeden Sensationalismus, schont aber niemanden. Der Autor er findet eine angemessene Sprache für das heikle Thema und entwirft, psychologisch tiefgründig, einen Plot, in dem er sämtliche Facetten des gesellschaftlichen Umgangs damit einbezieht. Die Seelen der Menschen liegen ihm in ihrer Zerbrechlichkeit am Herzen. Er will nicht verletzen, aber auch nicht verharmlosen. Sehr wohl interessieren ihn die Ursachen sexualisierter Gewalt.

Ein Titel, der sich  auf dramaturgisch schmalen Grat befindet und für Diskussionsstoff sorgen kann. Gerade weil das Buch mutig das „Besondere“ thematisiert, lohnt es den Titel zu lesen. Darum gebe ich ihm meine volle Leseempfehlung.

Jan Costin Wagner: Am roten Strand.
Galiani Berlin, März 2022.
304 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Martin Simon.

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