Die norwegische Schriftstellerin Marie Aubert (Jahrgang 1979) debütierte 2016 mit ihren Storys „Kan jeg bli med deg hjem“. Am 22. März 2022 legte der Rowohlt Verlag die deutsche Ausgabe mit dem Titel „Kann ich mit zu dir?“ in einer Übersetzung von Ursel Allenstein und Stefan Pluschkat vor. Zuvor erschien Auberts vielbeachteter Roman „Erwachsene Menschen“ aus dem Jahr 2021 ebenfalls im Rowohlt Verlag.
„Kann ich mit zu dir?“ enthält neun kurze Geschichten. Darin erzählt Marie Aubert von Menschen, die sich belügen, sich schämen oder sich etwas vormachen. Es sind die alltäglichen Dinge im Leben, wie eine unbefriedigend lockere Beziehung, der man trotzdem nachtrauert, oder eine heftige Ohrfeige, die ein überforderter Vater seiner zickigen Tochter gibt und von ihr verlangt, dass sie es nicht erzählt. Da ist die vorbestrafte junge Frau, die einen verheirateten Mann und Vater mit der Frage „Kann ich nicht mit zu dir?“ anbaggert. Oder die enttäuschte, eifersüchtige Mitbewohnerin, die ihrer Freundin den neuen Freund missgönnt. Ein Paar will in Südamerika ein Kind adoptieren, vor Ort jedoch übertritt der Mann eine Grenze. In der letzten Geschichte fahren eine junge Mutter mit ihrem kleinen Kind und ihr neuer Lover in ihr Ferienhaus, um ein schönes Wochenende zu verbringen. Doch dann „passiert etwas“.
Marie Auberts Debüt glänzt mit beeindruckend guten Storys. Wie auch in ihrem Roman „Erwachsene Menschen“, der in Deutschland zeitlich vor den Kurzgeschichten veröffentlicht wurde, wählt sie Figuren, die Fehler machen, die gemein sind, die andere betrügen und belügen. Dabei spüre ich als Leserin sehr genau die schlechten Schwingungen, die von den handelnden Personen ausgehen. Ich bin peinlich berührt von ihrem Verhalten und ihren Gesprächen. Aubert lässt mich mitleiden und mich ausrufen „Oh Gott, warum machen die das bloß?“. Doch die Figuren üben auch einen eigentümlichen Reiz, eine unterschwellige Faszination aus. Sie geben den Geschichten Schwung und Dynamik.
Spitzfindig und sorgsam entwickelt Aubert ihren Plot. Dafür benötigt sie nur wenige Seiten pro Geschichte und trotzdem ist jede ganz und rund. So lese ich das Buch zwar in einem Rutsch durch, jedoch nicht ohne Bewunderung für das schriftstellerische Können, das in den Storys steckt.
Hoffentlich schreibt Marie Aubert noch mehr davon.
Marie Aubert: Kann ich mit zu dir?.
Aus dem Norwegischen übersetzt von Ursel Allenstein & Stefan Pluschkat.
Rowohlt, März 2022.
144 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.