J.D. Vance ist Jahrgang 1984. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Middletown/Ohio und in den Appalachen von Kentucky. Heute, 2024, ist er der Vizepräsidentschaftskandidat von Donald Trump. Doch dieses Buch ist in keinster Weise politisch geprägt. Vielmehr ist es eine Art Dokumentarbericht über eine schon viele Jahre abgehängte, vergessene Bevölkerungsschicht Amerikas, in der J. D. Vance aufgewachsen ist. Gleichzeitig ist es seine persönliche und die Geschichte seiner Familie.
Im Jahr 2016 wurde die Hillbilly Elegy erstmals in den USA aufgelegt und avancierte schnell zum Bestseller. Dieser Erfolg darf mit Donald Trumps erfolgreicher Präsidentschaftskandidatur in Zusammenhang gebracht werden. – Auch durch die Hillbilly Elegy von dem damals erst einunddreißigjährigen J. D. Vance, der in seinem Buch genau jene vergessenen Gesellschaftsschichten des „Rustbelts“ in den deindustrialisierten US-Bundesstaaten thematisierte, schien sich der damalige Wahlsieg Trumps erklären zu lassen.
Wegen seiner Kehrtwende vom einstigen Kritiker zum aktuellen Unterstützer und Vize-Kandidat Trumps, wurde der Lizenzvertrag vom Ullstein-Verlag, der die Hillbilly-Elegie im Jahr 2017 im deutschsprachigen Raum erstmals aufgelegt hatte, nicht weiter verlängert.
Was Vance zu seiner politischen Sinneswandlung bewegte, erschließt sich in der Hillbilly-Elegie nicht.
J. D. Vance beschreibt in seinem Buch das trostlose Leben der Hillbillys (einstigen Tagelöhnern, späteren Bergarbeitern, dann Stahlindustrie-Arbeitern und heutigen Arbeitslosen), authentisch und zu Teilen sehr ergreifend. Er schreibt über eine Armut, die schon zur Familientradition geworden ist. Von seinem Aufwachsen mit einer chaotischen, drogensüchtigen Mutter und deren ständig wechselnden Männern, von dem abenteuerlich anmutenden Leben mit seinen Großeltern, die ihn aufgefangen haben. Über die Herkunft der Großeltern und ihren geplatzten Lebensträumen. Von deren Armut, der sie entkommen wollten und die ihnen, wie allen anderen Familien dort, nachfolgte. Über den Zerfall der kleinen Städte mit einstigen Einkaufszentren, die heute leer stehen. Über die Verwahrlosung von Familien. Darüber, wie der Wohlfahrtsstaat den sozialen Verfall der Familien noch beförderte. Von Menschen, denen es vergönnt war, ihre Heimat zu verlassen und von denen, die bleiben mussten. Von mangelnder Schulbildung und einem Alltag mit Gewalt und Waffenkult.
J.D. Vance beschreibt ein trostloses Leben ohne Zukunftschancen. Ein Leben, aus dem er selbst es geschafft hat, sich trotz aller Widrigkeiten nach oben zu kämpfen.
Eine aus dem Leben gegriffene Geschichte über den Verlust des amerikanischen Traums. – Hochinteressant und eindringlich geschildert!
J.D. Vance: Hillbilly-Elegie: Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise.
Aus dem Englischen übersetzt von Gregor Hens.
YES, Juli 2024.
304 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.