Heinrich Steinfest: Der Chauffeur

Heinrich Steinfest ist ein von mir hochverehrter, moderner Märchenerzähler. Seine Ideen und Romaninhalte sind bisweilen von absurder Unwahrscheinlichkeit, die aber durch seinen launischen, aber immer hoch unterhaltsamen Erzählstil, ganz plausibel erscheinen. So auch in seinem neuen Werk mit einem Chauffeur, der auf Grund eines tragischen Ereignisses, seinen eigentlich sehr gemochten Job (fährt gern in einem Audi der Extraklasse einen ambitionierten Politiker und Kanzlerkandidaten durch die Lande) eben diesen aufgeben muss. Auf Grund einer falschen, schrecklichen Entscheidung nach einem schrecklichen Unfall. Es sind immer diese bizarren Ereignisse, quasi vorbestimmte Zufälle – die es folglich nicht gibt, weil vorbestimmt – die dem Leben immer eine Wendung geben, die sich Paul Klee, ja so heißt er wirklich, nie hätte träumen lassen. „Zufällig“ trifft er Inoue, die ihm als Maklerin ein Haus zeigt, in dem er fortan seine Vorstellung von der Führung und Gestaltung eines Hotels, realisieren möchte. Inoue, welch eine schicksalhafte Begegnung (einmal mehr), wird zur geliebten Frau und Geschäftspartnerin im „Hotel zur kleinen Nacht“.

Und nun beginnt das, was ich anfangs mit modernen Märchen meinte. Eine Relativierung der Zeit, ein astrophysikalisch eigentlich unmögliches Phänomen, bricht in diese Idylle des kleinen Hotels und seiner guten Geister ein. Ein 1957 von den Russen gestarteter Satellit, der erste überhaupt mit einem Lebewesen an Bord (ein Hundchen namens Laika), landet nach über 60 Jahren unweit dieses Hotels im Gelände. Inoue, die schöne Frau mit japanischen Wurzeln, hat zwei Kinder (Iris und Uwe – Zwillinge noch keine 10 Jahre) mit ( in die Beziehung) gebracht, die unweit des „Hotels zur kleinen Nacht“, in einem Dachzimmer nicht nur den Roman „Der Zauberberg“ von Thomas Mann als Schlaflektüre vorgelesen bekommen, sondern auch den Absturz der Sputnikkapsel mitkriegen. Sie laufen zur Aufschlagstelle und finden das Hündchen wohlauf.

Vorgelesen wird übrigens von Klara einer Angestellten im Hotel, in die sich Inoue ziemlich schnell verliebt. Um den weltweiten medialen Aufruhr zu entgehen, fliehen nun Inoue, Klara mit den Kindern an einen unbekannten Ort.  Paul bleibt zurück und hat mit einer Nachbarin zu tun, die eine zweifelhafte Vergangenheit vorweist, und in deren Falle Paul, und nicht nur er, tappt. Ich will hier aber keine weitere Inhaltsangabe machen, sondern herausstellen, dass es Steinfest tatsächlich schafft, mit den Zufällen, schicksalhaften Begegnungen und wundersamen Umwegen zu spielen und Paul Klee immer dicht bei seinen Abenteuern zu begleiten. Paul entwickelt zuletzt noch eine gewisse Neigung zum Tennisspiel, bleibt aber bei all seiner Neugier die Fäden zu entwirren, im Grunde ein tragischer Held und ein trauriger Ritter. Irgendwie verrückt das alles und am Ende, das will ich nicht unerwähnt lassen, quält sich die Geschichte ein wenig der letzten Seite entgegen. Fehlte nur noch… wenn sie nicht gestorben sind…

Aber wie man so schön sagt: Lass ich nix drauf kommen!

Heinrich Steinfest: Der Chauffeur.
Piper, August 2020.
368 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.

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